Deutsche Wirtschaft steckt im Konjunkturtal fest
Die deutsche Wirtschaft ist nach Ansicht der fünf führenden Wirtschaftsforschungsinstitute angeschlagen. In ihrer Prognose trauen sie ihr für dieses Jahr nur noch ein Mini-Wachstum zu, rechnen aber für 2025 mit einer Besserung. Die Ökonomen sprechen von einer „zähen konjunkturellen Schwächephase“. Es überlagerten sich konjunkturelle und strukturelle Bremsfaktoren. Daher werde die erwartete leichte Dynamik „nicht allzu groß ausfallen“.
Nach der Frühjahrsprognose wird das Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2024 nur um 0,1% zulegen, heißt es in der am Mittwoch veröffentlichten Gemeinschaftsdiagnose für die Bundesregierung. Im Herbst war noch ein Plus von 1,3% erwartet worden. Für das kommende Jahr nahmen die Institute ihre Vorhersage ebenfalls zurück: von 1,5% auf 1,4%. Die Wirtschaftsleistung falle dann aber infolge der verzögerten Erholung um über 30 Mrd. Euro niedriger aus. Im vergangenen Jahr ist Europas größte Volkswirtschaft um 0,3% geschrumpft.
Niedrige Produktivität
Derzeit bewege sich die Wirtschaftsleistung auf einem Niveau, das kaum über dem vor der Pandemie liege, mahnen die Ökonomen. Die Produktivität trete auf der Stelle. „Außen- und binnenwirtschaftlich gab es zuletzt mehr Gegen- als Rückenwind“. Fortwährende Unsicherheit über die Wirtschaftspolitik belaste die Investitionen der Unternehmen, die sich trotz der erwarteten Belebung im kommenden Jahr dann auf dem Niveau von 2017 bewegen dürften. Der Konjunkturchef des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, Stefan Kooths, sprach von einem „Dreiklang aus lahmender Konjunktur, lähmender Politik und leidendem Wachstum“, bei dem sich allenfalls „die konjunkturelle Tonlage von Moll auf Dur“ ändere.
Höhere Kaufkraft
Für die Arbeitnehmer erwarten die Ökonomen eine Zunahme der Kaufkraft. Die Reallöhne dürften sowohl in diesem als auch im kommenden Jahr zulegen, was wiederum den privaten Konsum zur „wichtigsten Triebkraft für die Konjunktur“ mache. Die Effektivverdienste werden in den Jahren 2024 und 2025 nach der Prognose um 4,6 bzw. 3,4% zulegen. Diese Entwicklung wird auch durch eine sinkende Inflation unterstützt. In diesem Jahr soll die Teuerungsrate auf 2,3% fallen, 2025 dann auf 1,8%; 2023 lag sie noch bei 5,9%. Die Europäische Zentralbank (EZB) strebt in der Währungsunion einen Wert von 2% an.
EZB senkt Zins stufenweise auf 2,15%
Wegen des nachlassenden Preisdrucks gehen die Institutsökonomen davon aus, dass die EZB die Zinswende im Juni startet und danach weitere Schritte nach unten gehen wird. Stufenweise werde der maßgebliche Einlagesatz bis zum Frühjahr 2025 auf dann 2% sinken. Derzeit liegt er auf dem Rekordniveau von 4%. Der eigentliche Leitzins, der sogenannte Hauptrefinanzierungssatz, dürfte demnach bis Frühjahr 2025 auf 2,15% von derzeit 4,50% zurückgehen. Damit werde auch der „Restriktionsgrad“ der Geldpolitik deutlich verringert.
Die Gemeinschaftsdiagnose dient der Bundesregierung als Basis für ihre eigenen Projektionen, die wiederum die Grundlage für die Steuerschätzung bilden. Bislang geht das Bundeswirtschaftsministerium von einem BIP-Anstieg von 0,2% im laufenden Jahr aus. Erstellt wird die Gemeinschaftsdiagnose vom RWI in Essen, vom Ifo-Institut in München, vom IfW in Kiel, vom IWH in Halle und vom Berliner DIW.