Die Ampel öffnet die Schatullen
Die Ampel bleibt sich treu. Auf akute Probleme gibt sie eine finanzielle Antwort, ohne eine inhaltliche Lösung zu liefern. Als „Doppel-Wumms“ klassifizierte Kanzler Olaf Scholz (SPD) den Abwehrschirm gegen die Folgen des russischen Angriffskrieges. Auf neue Kreditermächtigungen von 200 Mrd. Euro im Sondervermögen „Wirtschaftsstabilisierungsfonds“ hat sich die Ampel geeinigt. Spätestens seit den Attacken auf die beiden Nord-Stream-Pipelines durch die Ostsee ist klar, dass Russland kein Gas mehr liefert. Die Zeiten preisgünstiger Energieversorgung sind endgültig passé.
Erste Hilfe will die Ampel-Regierung nun mit kreditfinanzierten Interventionen leisten, um Gaspreis und Strompreis künstlich zu drücken. Die Wirtschaft zeigt sich erleichtert. Dabei sind die Modalitäten, etwa wie die Instrumente konzipiert werden und wo der Interventionspreis liegen wird, völlig offen. An der Strompreisbremse arbeitet das Bundeswirtschaftsministerium von Robert Habeck (Grüne). „Zufallsgewinne“ von Stromanbietern sollen abgeschöpft und an Verbraucher umverteilt werden. Die eigentlich verworfene „Übergewinnsteuer“ hat nur ein anderes Mäntelchen bekommen.
An der Gaspreisbremse arbeitet die Expertenkommission unter Vorsitz der Wirtschaftsweisen Veronika Grimm. Das gesellschaftspolitisch breit besetzte Gremium darf sich immerhin umfassende Gedanken zum Energiemarkt machen – einschließlich der umstrittenen Laufzeit von Atomkraftwerken. Am Ende entscheidet aber nicht die Gaskommission, sondern der Gesetzgeber über einen Entwurf aus dem Habeck-Ressort. Habeck selbst konnte unter dem Paukenschlag aus milliardenschwerem Abwehrschirm und erhoffter Energiepreisbremse fast unbemerkt die umstrittene Gasumlage beerdigen.
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) sieht in den Energiepreisbremsen ein probates Mittel, die Inflation zu mildern. Vordergründig mag dies so aussehen. Pumpt der Staat jedoch zusätzliches, kreditfinanziertes Geld in die Volkswirtschaft, wird das die Inflation befeuern. Bürger und Wirtschaft werden kaum durch gutes Zureden weniger Energie verbrauchen, sondern nur durch schmerzhaft hohe Preise. Für Lindner wird es schwierig, den Kurs solider Finanzpolitik noch glaubwürdig zu vermitteln. Die Operation Abwehrschirm nutzt erneut den Weg der Kreditfinanzierung über ein Sondervermögen neben dem Kernhaushalt. 2022 zieht die Schuldenbremse noch nicht, 2023 nimmt der Bund damit an der Schuldenbremse vorbei legal noch mehr Kredit auf. Wenn es Lindner damit gelingt, die Ausgaben auf Kriegsfolgenhilfe zu begrenzen, wäre dies wenigstens ein kleiner Sieg.(Börsen-Zeitung, 30.9.2022)