Druck auf Bank of England wächst
hip London
Steigende Energie-, Kraftstoff- und Lebensmittelpreise haben die Inflation in Großbritannien auf ein neues 40-Jahres-Hoch klettern lassen. Wie das Statistikamt ONS mitteilte, erreichte die Teuerungsrate im Juni 9,4 %. Das sind 0,3 Prozentpunkte mehr, als die Bank of England im Inflationsbericht vom Mai angesetzt hatte. Volkswirte hatten im Schnitt mit 9,3 % gerechnet. Im Mai hatte der Preisauftrieb noch bei 9,1 % gelegen. Die Kernrate – ohne Energie, Kraftstoffe, Lebensmittel, Alkohol und Tabak – ging dagegen von 5,9 % auf 5,8 % zurück.
Der Druck auf die Bank of England, bei der kommenden Sitzung den Leitzins um gleich 50 Basispunkte nach oben zu nehmen, wächst. Zwar sinken die Reallöhne: Für die drei Monate per Ende Juni verlangsamte sich das Einkommenswachstum inklusive Sonderzahlungen auf 6,2 %. Doch werden, vor allem im öffentlichen Dienst, aggressive Lohnforderungen gestellt. Bislang zeichnet sich ab, dass Mitarbeiter des National Health Service (NHS) mindestens 4,5 % mehr Lohn erhalten sollen, Lehrer mindestens 5 %. Ihren Gewerkschaften reicht das bei weitem nicht. „Die Regierung hat versprochen, den persönlichen Einsatz der Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes während der Pandemie zu belohnen“, sagte Sharon Graham, die Generalsekretärin der Gewerkschaft Unite. „Was sie stattdessen geliefert hat, ist, real betrachtet, ein Tritt ins Gesicht. Das sogenannte Tarifangebot entspricht einer enormen landesweiten Lohnkürzung.“ Man habe zwar damit gerechnet, hintergangen zu werden, aber nicht in so einem Ausmaß. Streiks drohen nicht nur bei der Bahn, sondern auch bei der Post und im Gesundheitswesen. „Wir sagen schon seit einer ganzen Weile, dass es höchste Zeit ist, dass die Bank of England dem ‚50er Club‘ beitritt“, sagte Matthew Ryan, der Marktstratege des Finanzdienstleisters Ebury. Er hält es für sehr wahrscheinlich, dass das geldpolitische Komitee der Notenbank am 4. August den Leitzins auf 1,75 % erhöhen wird. Andrew Bailey, der Gouverneur der Bank of England, flirtete diese Woche bei seinem Auftritt vor City-Vertretern im Londoner Mansion House mit einem solchen Zinsschritt. Das geldpolitische Regime sei nicht gescheitert. „Das Regime, das auf der Unabhängigkeit der Notenbank basiert, ist wichtiger als je zuvor“, sagte Bailey. Der Wert eines jeden Regimes erweise sich in schweren, nicht in guten Zeiten.