Geldpolitik

Es rumort innerhalb der EZB

Mehre Ratsmitglieder stören sich daran, dass die EZB derart deutlich eine Zinssenkung im Juni signalisiert hat. Nur deshalb hätten sie für eine Lockerung der Geldpolitik gestimmt. Die jüngsten Wirtschaftsdaten hätten gegen eine Zinssenkung gesprochen.

Es rumort innerhalb der EZB

Es rumort innerhalb der EZB

Mehrere Ratsmitglieder bemängeln Kommunikation der Zentralbank – Österreichs Notenbankchef stimmte gegen Zinssenkung

mpi Frankfurt

An einer Zinssenkung der Europäischen Zentralbank (EZB) im Juni hatten Beobachter schon seit langem keinerlei Zweifel mehr. Das lag nicht zuletzt daran, dass 95% der stimmberechtigten EZB-Ratsmitglieder sich derart äußerten, dass sie sich für eine Zinssenkung aussprachen oder diese zumindest billigten. Zu diesem Schluss kam eine Untersuchung der Hamburg Commercial Bank (HCOB) im Vorfeld der Zinssitzung am Donnerstag. Lediglich Direktoriumsmitglied Frank Eldersen habe in seinen jüngsten Äußerungen keinerlei Aufschluss darüber gegeben, wie er zu einer Lockerung der Geldpolitik im Juni stehe.

Selbst Robert Holzmann, Gouverneur der österreichischen Notenbank und grundsätzlich ein ausgesprochener Verfechter einer restriktiven Geldpolitik („Falke“), hatte rund eine Woche vor dem Zinsentscheid durchblicken lassen, dass er wohl eine Zinssenkung befürworten werde. „Aus heutiger Sicht würde ich eine Zinssenkung nächste Woche unterstützen, möchte aber auch warnen, dass es bei weiteren Zinsschritten keinen Automatismus geben sollte“, sagte er in einem am 28. Mai bei „Econostream Media“ veröffentlichten Artikel.

Holzmann stimmte gegen Zinssenkung

Doch es kam anders. Der Zinsentscheid fiel nicht einstimmig aus. Holzmann stimmte als Einziger dagegen. Entsprechende Gerüchte – EZB-Präsidentin Christine Lagarde wollte auf der Pressekonferenz am Donnerstag keinen Namen nennen – bestätigte der Österreicher am Freitag. Er hoffe, die nächsten Zinsschritte der EZB würden datengetrieben sein, sagte er auf einer Veranstaltung in Wien. Sowohl die Inflation im Mai als auch die Tariflöhne im ersten Quartal fielen höher aus als erwartet. Zudem schraubten die Volkswirte der EZB die Inflationsprognose für 2024 und 2025 nach oben.

Als Erklärung, weshalb die EZB dennoch im Juni die Leitzinsen senke, führte Notenbankpräsidentin Christine Lagarde an, dass die Zuversicht gestiegen sei, im kommenden Jahr das Inflationsziel zu erreichen. Man erwarte weiterhin einen Rückgang des Lohnwachstums. Außerdem sei der Spielraum für weitere Preiserhöhungen bei den Unternehmen gesunken.

Kritik an der Vorabfestlegung auf Juni-Zinssenkung

Offenbar störte sich jedoch nicht nur Holzmann an einer Zinssenkung, während gleichzeitig eine ganze Reihe von Wirtschaftsdaten zuletzt enttäuschend für die EZB ausgefallen sind. Wie die Nachrichtenagentur Reuters mit Berufung auf Insider berichtet, hätten vier Notenbanker nur deshalb für eine Zinssenkung gestimmt, weil die EZB diese Lockerung bereits sehr deutlich signalisiert hat. Wäre dies nicht der Fall gewesen, hätten sie für konstante Leitzinsen gestimmt.

Mahnende Stimmen

Am Freitag dominierten dann auch die Stimmen, die zur Vorsicht bei weiteren Zinssenkungen mahnten. Es gebe keinen Automatismus, dass nach der ersten Zinssenkung gleich weitere folgen müssten, sagte Bundesbankpräsident Joachim Nagel. Noch sei der Ausblick über die zukünftige Entwicklung der Teuerung „zu unsicher, um weitere Zinsschritte in Aussicht stellen zu können“, erklärte EZB-Direktorin Isabel Schnabel. 

EZB-Vizepräsident Luis de Guindos stimmte auf „nicht einfache“ Monate ein. Die Teuerung könnte sich zeitweise beschleunigen. „Aber wir sind überzeugt, dass sie im nächsten Jahr zum Ziel hinkommt.“ Frankreichs Notenbankpräsident François Villeroy de Galhau versprach, die EZB werde bei künftigen Zinssenkungen mit angemessenem Tempo vorgehen. „Ohne Eile oder Zögern.“


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