Konjunktur

Euro-Wirtschaft hält sich wacker

Der Außenhandel hat die Euro-Wirtschaft gebremst, zugelegt hat das BIP aber dennoch. Und die vom ZEW befragten Börsianer blicken vorsichtig optimistisch auf die kommenden Monate.

Euro-Wirtschaft hält sich wacker

ba Frankfurt

Der Außenhandel hat die Euro-Wirtschaft im zweiten Coronajahr belastet. Außerdem ist die Handelsbilanz im Dezember nicht aus den roten Zahlen gekommen. Im November war es erstmals seit Ende 2011 zu einem Defizit gekommen. Ökonomen erwarten aber weiterhin, dass sich die Wirtschaft sowohl im Euroraum als auch in dessen größter Volkswirtschaft nach einem schwachen Jahresabschluss in den kommenden Monaten wieder erholt. Und auch Finanzmarktexperten blicken trotz der gestiegenen Unsicherheit wegen der Ukraine-Krise vorsichtig optimistisch auf die Konjunktur, wie die jüngste Umfrage des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) ergab. Zumal allenthalben mit einer Entspannung bei den coronabedingten Einschränkungen gerechnet wird. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) etwa sieht den Höhepunkt der Omikronwelle hierzulande überschritten und hält „maßvolle Lockerungen“ für möglich. Am heutigen Mittwoch berät dazu Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit den Ministerpräsidenten.

Vorläufigen Daten des Statistikamts Eurostat zufolge hat sich das saisonbereinigte Handelsbilanzdefizit im Dezember auf 9,7 Mrd. Euro ausgeweitet. Ökonomen hatten mit ei­­nem Minus von 4,7 Mrd. Euro ge­rechnet, nachdem Eurostat für No­vember noch ein Defizit von 1,8 Mrd. Euro ausgewiesen hatte. Damit schrumpft die Handelsbilanz seit Juli 2021. Zuletzt hatte Eurostat im Oktober 2011 ein saisonbereinigtes Handelsbilanzdefizit verbucht. Saisonbereinigt gingen die Ausfuhren zum Vormonat um 0,6% zurück, während die Einfuhren um 3,1% zulegten.

Für das Gesamtjahr 2021 meldet Eurostat einen Rückgang des Handelsbilanzüberschusses­ von 233,9 Mrd. Euro 2020 auf 128,4 Mrd. Euro. Die Exporte stiegen im Jahresvergleich um 14,1%, wohingegen die Importe mit 21,4% kräftiger zulegten. Zudem wurde laut Eurostat 2021 „der höchste Anstieg sowohl bei den Einfuhr- als auch bei den Ausfuhrströmen im Energiesektor verzeichnet, was eine erhebliche Verschlechterung des Energiedefizits der EU zur Folge hatte“.

Mehr Erwerbstätige

Sobald sich die Lieferkettenprobleme und Materialengpässe auflösen, dürfte die Produktion und damit auch der Export wieder anziehen, erwarten Ökonomen – und damit dürfte auch die Konjunktur insgesamt wieder in Schwung kommen. Im vierten Quartal 2021 hatte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Euroraum mit 0,3% im Quartalsvergleich eher verhalten zugelegt. Damit bestätigte Eurostat die erste Schnellschätzung. Von Juli bis Dezember war die Euro-Wirtschaft noch um 2,3% gewachsen, im Frühjahr lag das Plus bei 2,2%. Zum Jahresende aber hatten weitere Coronawellen die Weltwirtschaft wieder gebremst. Im Gesamtjahr 2021 legte das Euro-BIP um 5,2% zu. Gebremst zeigte sich das Wachstum der Erwerbstätigkeit: Im Schlussabschnitt legte sie um 0,5% im Quartalsvergleich zu, nach +1,0% im Vorquartal. Für das Gesamtjahr 2021 ist die Erwerbstätigkeit in den 19 Euro-Ländern um 1,1% gestiegen.

Die Konjunkturerwartungen der 173 vom ZEW befragten Analysten und institutionellen Anleger für den Euroraum sind im Februar leicht um 0,8 auf 48,6 Punkte zurückgegangen, während sich der Konjunkturausblick für Deutschland (+2,6 auf 54,3 Zähler) erneut verbesserte – „trotz wachsender wirtschaftlicher und politischer Unsicherheiten“, wie ZEW-Präsident Achim Wambach sagte. Die aktuelle Lage wurde ebenfalls besser eingeschätzt: Der Indikator legte um 2,1 auf –8,1 Zähler zu. Ökonomen hatten allerdings 55 Punkte für die Erwartungen und –6,5 bei der Lagekomponente prognostiziert. Die Befragten gingen von einer Konjunkturerholung im ersten Halbjahr 2022 sowie einer zurückgehenden Inflation aus, „allerdings langsamer und von einem höheren Niveau aus, verglichen mit den Erwartungen der Vormonate“, wie Wambach betonte. Mehr als 50% würden eine Erhöhung der kurzfristigen Zinsen im Eurogebiet in den nächsten sechs Monaten erwarten, womit die Zinswende für dieses Jahr terminiert wäre, wie Nord/LB-Chefvolkswirt Christian Lips kommentiert. Einen abrupten Kurswechsel schließt EZB-Chefin Christine Lagarde aber aus. Erst zu Wochenbeginn hatte sie im Europaparlament in Straßburg betont, dass jede Anpassung der Geldpolitik „graduell sein“ werde.

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