Euro-Wirtschaft legt Mini-Wachstum hin
ba Frankfurt
Die Euro-Wirtschaft ist verhalten ins neue Jahr gestartet. Angesichts der hohen Inflation, der ersten ökonomischen Bremsspuren des Ukraine-Krieges und der sich wieder verschärfenden Lieferkettenproblematik hatten Ökonomen bereits damit gerechnet, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 0,2% im Quartalsvergleich zulegt. Zum Jahresende 2021 lag das Wachstum bei 0,3%. Auch das BIP-Plus von 5,0% im Vergleich zum ersten Quartal 2021 war so erwartet worden. Die Rezessionssorgen sind damit allerdings noch nicht vom Tisch. Insbesondere ein mögliches Energieembargo seitens des Westens oder weitere Gaslieferstopps von Russland sowie zusätzliche Sanktionen drohen die Volkswirtschaften noch stärker abzubremsen.
Die Entwicklung in den größten Euro-Volkswirtschaften fiel im ersten Quartal sehr unterschiedlich und teils anders als erwartet aus: Während Spanien (+0,3%) und Deutschland (+0,2%) noch ein Wachstum auswiesen, stagnierte die französische Wirtschaft. Schlusslicht war Italien mit einem Minus von 0,2% (siehe Grafik).
Auch wenn der Dienstleistungssektor vom Ende der coronabedingten Restriktionen profitiert, kämpft die Industrie weiter mit dem Materialmangel. Und die neuerlichen Lockdowns in China verheißen keine Aussicht auf substanzielle Entspannung. Details veröffentlicht das Statistikamt Eurostat bei der ersten Schnellschätzung noch nicht, Länderdaten zeigen aber, dass vor allem der private Konsum eine Belastung war. Das französische Statistikamt Insee etwa meldet ein Minus bei den Ausgaben der Verbraucher um 1,3%. Dass das Verbraucherklima im April das Niveau vom Höhepunkt der Corona-Pandemie unterschreitet, zeigt Ökonomen zufolge, dass der Privatkonsum, sonst zuverlässige Wachstumsstütze, auch im zweiten Quartal noch nicht recht in Fahrt kommen wird.
In Deutschland sorgten vor allem höhere Investitionen für das Wachstum von 0,2 %, während der Außenbeitrag bremste. „Seit Ende Februar beeinflussen die wirtschaftlichen Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine die konjunkturelle Entwicklung zunehmend“, erklärte das Statistikamt Destatis dazu. Schwung brachte auch der moderate Anstieg der Industrieproduktion: „Das zeigt, was im Sommerhalbjahr ohne Putins Angriffskrieg möglich gewesen wäre“, kommentierte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. „In den nächsten Monaten sollten die Dienstleister und der Staat die Konjunktur stützen. Auch stehen Investitionen der Unternehmen in ihre Zukunft an“, gab Jörg Zeuner, Chefökonom bei Union Investment, einen Ausblick. Der Abstand zum Vorkrisenniveau von Ende 2019 beträgt noch 0,9 %. Im Vergleich zum ersten Quartal 2021, in dem die deutsche Wirtschaft von den Auswirkungen der zweiten Welle der Corona-Pandemie getroffen worden war, kletterte das BIP um 4,0 %.
Auch die spanische Wirtschaft wird sich nicht so schnell vom Corona-Einbruch erholen wie zuletzt erhofft. Das BIP legte dort zu Jahresbeginn um 0,3% zu, wozu nicht nur zögerlichere Verbraucher, sondern auch die zweitweisen Versorgungsengpässe infolge des Lkw-Fahrerstreiks beigetragen haben. Die spanische Regierung hat am Freitag ihre Prognose nach unten revidiert. Statt des im Haushalt veranschlagten Wirtschaftswachstums von 7% sollen es 2022 nur noch 4,3% werden. Dies liegt im Rahmen der meisten Schätzungen der Volkswirte. 2023 soll das BIP 3,5% zulegen.
Italiens BIP schrumpfte zu Jahresbeginn um 0,2 %. Dies war der erste Rückgang seit dem vierten Quartal 2020. Auch hier zeigten sich die Belastungen durch die Corona-Pandemie sowie die hohen Rohstoffpreise infolge des Ukraine-Krieges. Das Konsumklima hat bereits nachgegeben. Italiens Regierung ist trotz der jüngsten Prognoserevision von 4,7 % auf 3,1 % für dieses Jahr noch vergleichsweise optimistisch gestimmt.