PMI

Euro-Wirtschaft zwiegespalten

Die Stimmung in der Euro-Wirtschaft hat sich im April überraschend aufgehellt. Besonders die Dienstleister im Süden zeigen sich gut gelaunt, denn der Tourismus lebt nach Corona auf. Die Industrie leidet hingegen unter dem Krieg.

Euro-Wirtschaft zwiegespalten

ast Frankfurt

Die Wirtschaftsstimmung in der Eurozone hat sich trotz des anhaltenden russischen Angriffskriegs in der Ukraine überraschend aufgehellt. Der Einkaufsmanagerindex (PMI) von S&P Global (ehemals IHS Markit) stieg zum Vormonat um 0,9 Zähler auf 55,8 Punkte und damit auf den höchsten Stand seit September des vergangenen Jahres, wie die Marktforscher am Freitag in London mitteilten (siehe Grafik). Analysten hatten dagegen mit einer weiteren Eintrübung gerechnet. Allerdings gibt es deutliche Unterschiede zwischen dem Industrie- und dem Dienstleistungssektor. So schreibt S&P: „Das Eurozone-Wirtschaftswachstum hat sich im April wieder beschleunigt.“ So sei die annähernde Stagnation in der Industrie vom Aufschwung des Servicesektors, der von den Lockerungen der Corona-Restriktionen profitiert habe, überkompensiert worden.

Corona-Ende gibt Schwung

Mit dem Wegfall der meisten Einschränkungen zur Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie in zahlreichen Ländern verbesserte sich der Stimmungsindikator für die Dienstleister auf ein Achtmonatshoch von 57,7 Punkten, nach 55,6 Punkten im März. Von Reuters befragte Ökonomen hatten einen Rückgang auf 55,0 Zähler erwartet.

Der Index für das verarbeitende Gewerbe gab hingegen von 56,5 Punkten im März auf 55,3 Zähler nach. Es ist der niedrigste Stand seit 16 Monaten.  Grund ist die wachsende Unsicherheit im Zuge des Kriegs in der Ukraine sowie die anhaltenden Lieferschwierigkeiten etwa bei Vorprodukten, die durch rigide Lockdowns in China erneut verschärft wurden. Mit Werten über 50 Punkten deuten jedoch beide Indikatoren weiter auf Expansion hin. Jessica Hinds, Analystin bei Capital Economics, sieht in der verbesserten Stimmung einen Hinweis darauf, „dass die Sorgen über die Auswirkungen des Ukraine-Krieges im letzten Monat vielleicht etwas übertrieben waren“.

„Im April kam es in der Eurozone zu einer Wirtschaft der zwei Ge­schwindigkeiten“, kommentierte S&P-Chefökonom Chris Williamson. In der Industrie registrierten die Statistiker einen Stillstand. Nicht nur die Probleme in den Lieferketten und der Krieg belasteten, die Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes litten zudem unter einer Verlagerung der Nachfrage von Gütern hin zu Dienstleistungen, erläuterte Williamson. Infolge des Endes der Corona-Einschränkungen registrierte S&P einen Rekordanstieg der Ausgaben für Reise- und Freizeitaktivitäten.

Hoher Kostendruck

Allerdings zweifeln Ökonomen daran, dass der Dienstleistungssektor seine gute Performance auch in den kommenden Monaten aufrechterhalten kann. Zwar entfalte die Aufhebung der Corona-Regeln eine „wohltuende Wirkung“, doch sei zu befürchten, dass es sich nur um einen temporären Effekt handele, erklärte Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank. „Die gestiegenen Lebenshaltungskosten belasten zunehmend das Budget vieler Privathaushalte. Die während der Pandemie gebildeten Ersparnisse müssen in höherem Maße für höhere Energiekosten und Lebensmittelpreise herhalten“, sagte Gitzel.

Beide Sektoren, Industrie und Dienstleister, plagen der zunehmende Kostendruck – verursacht durch die explodierenden Energie- und Rohstoffpreise sowie steigende Löhne. Die Verkaufs- beziehungsweise Angebotspreise für Güter und Dienstleistungen hätten im April in einem noch nie dagewesenen Ausmaß zugelegt, da die gestiegenen Ausgaben an die Kunden weitergegeben worden seien, erklärte Williamson und sprach von einem besorgniserregenden Signal dafür, dass der Inflationsdruck weiter zunehme.

Die Geldpolitiker könnten zu einer restriktiveren Haltung übergehen, da der beispiellose Inflationsdruck in Zeiten eines erfreulich robusten Wirtschaftswachstums anhält, sagte Williamson mit Blick auf die Europäische Zentralbank (EZB), die bislang an ihrer Nullzinspolitik festhält. In der EZB mehren sich allerdings die Stimmen, die eine Zinserhöhung bereits im Juli für möglich halten.

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