EZB begnügt sich mit kleiner Zinssenkung
Die EZB beschließt die vierte Zinssenkung des Jahres und nähert sich damit immer weiter dem neutralen Zinsniveau an. Wie die Notenbank am Donnerstag in Frankfurt mitteilte, fällt der für die Geldpolitik wichtige Einlagensatz um 25 Basispunkte auf 3%. Seit Juni ist der Leitzins damit um einen ganzen Prozentpunkt gesunken. Dennoch wirkt die Geldpolitik weiterhin restriktiv, bremst also die wirtschaftliche Entwicklung und damit letztendlich die Inflation in der Eurozone ab. Von der restriktiven Geldpolitik dürfte sich die EZB jedoch bald verabschieden. Denn der Satz, wonach die Geldpolitik noch für längere Zeit restriktiv bleibt, findet sich nun nicht mehr in der Kommunikation der EZB nach einem Zinsentscheid.
Bei der Inflation geht die EZB inzwischen von etwas geringeren Zahl in 2025 aus. Laut den ebenfalls am Donnerstag vorgestellten neuen Projektionen fällt die Teuerung im kommenden Jahr im Durchschnitt auf 2,1% (bisherige Prognose 2,2%) und in 2026 wie bisher prognostiziert auf 1,9%. Erstmals ist auch eine Zahl für 2027 in den Projektionen enthalten. Die Prognose liegt bei 2,1%. Bei der Kerninflation als Indikator für den zugrundeliegenden Preisdruck veranschlagen die EZB-Ökonomen 2,3% in 2025 und 1,9% in 2026 (bisher 2,3 bzw. 2,0%). In 2027 werde die Kerninflation ebenfalls bei 1,9% liegen.
Mehr Pessimismus zeigt die Notenbank bei der wirtschaftlichen Entwicklung. Hier prognostiziert sie ein reales Wirtschaftswachstum für die Eurozone im kommenden Jahr von 1,1%, nach bislang 1,3%. Für 2026 passt sie die Prognose um 0,1% Prozentpunkte nach unten auf 1,4% an.
Debatte um Entwicklung der Inflation
Angesichts des eher enttäuschenden Ausblicks für die Euro-Konjunktur und den Fortschritten bei der Bekämpfung der zu hohen Inflation hatte es in den vergangenen Wochen und Monaten EZB-Ratsmitglieder gegeben, die öffentlich über eine Zinssenkung um 50 Basispunkte im Dezember spekuliert haben. Am Geldmarkt hatten Anleger einen solchen Schritt zwischenzeitlich sogar mehr oder weniger eingepreist. In den Tagen vor der Schweigephase der EZB hatte aber unter anderem die Notenbank-Direktorin Isabel Schnabel diesen Erwartungen einen Dämpfer verpasst. Das Risiko, dass die Inflation mittelfristig unter das EZB-Ziel von 2% fällt, sei gering. Sie sprach sich deshalb für einen vorsichtigen Lockerungskurs aus.
Diese Einschätzung teilen längst nicht alle im EZB-Rat. Die Notenbankchefs aus Italien und Portugal verweisen schon länger darauf, dass die Geldpolitik angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung in der Eurozone deutlich zu restriktiv sei. Zuletzt hatten unter anderem auch ihr französischer Amtskollege François Villeroy de Galhau und EZB-Chefökonom Philip Lane vor der Gefahr eines mittelfristigen Unterschreitens des Inflationsziels gewarnt. „Aus heutiger Sicht gibt es allen Grund, am 12. Dezember zu kürzen. Über den Umfang der Senkung sollten wir offen bleiben, abhängig von den eingehenden Daten, den Wirtschaftsprognosen und unserer Risikoeinschätzung“, hatte Villeroy de Galhau gesagt.
Wie weit lockert die EZB in 2025?
Nach dem letzten Zinsentscheid der EZB in diesem Jahr richtet sich der Blick vieler Finanzmarktteilnehmer und Ökonomen auf die Geldpolitik in 2025. Mehrere Zinssenkungen der Notenbank dürften ohne einen exogenen Inflationsschock bereits quasi beschlossene Sache sein. Wie stark die EZB lockern sollte oder wird, da gehen die Meinungen im EZB-Rat und bei Analysten auseinander.
Unter anderem dreht sich die Diskussion darum, ob die EZB im kommenden Jahr die Leitzinsen unter das neutrale Niveau senken sollte – und wo sich dieses neutrale Niveau überhaupt befindet. Denn dies lässt sich nicht messen, sondern nur schätzen. Die Schätzungen schwanken dabei von 1,5% bis knapp unter 3%, wobei die meisten es im Bereich 2 bis 2,5% verorten.
Damoklesschwert Trump
Wie stark die EZB lockert, dürfte auch stark von der Wirtschaftspolitik Donald Trumps in den USA und dessen Auswirkungen für die Inflation in der Eurozone abhängen. Hierbei gibt es allerdings viele Unsicherheiten. Zum einen ist nur schwer vorherzusehen, was Trump alles umsetzen wird. Zum anderen ist offen, wie etwa China oder die EU auf mögliche US-Zölle reagieren würden. Ein Handelskrieg könnte das globale Wirtschaftswachstum stark senken. Das würde für die exportorientierte Eurozone deflationär wirken.
Auf der anderen Seite gibt es auch Argumente für inflationstreibende Effekte durch Trumps Zollpolitik. So verteuern Zölle erstmal per sie die Einfuhrpreise. Mögliche Lieferkettenstörungen durch geopolitische Konflikte würden den Inflationsdruck erhöhen. Außerdem dürfte der Dollar wegen Trumps Wirtschaftspolitik gegenüber dem Euro 2025 an Wert gewinnen. Das verteuert in Dollar notierte Rohstoffimporte in die EU, was die Inflation ebenfalls verstärkt.