Geldpolitik

EZB und Fed in unterschiedlichen Welten

Die EZB steht vor deutlichen Zinssenkungen in diesem Jahr. Die Lage der Fed ist eine ganz andere. Das hängt nicht nur mit dem Wahlsieg Donald Trumps zusammen.

EZB und Fed in unterschiedlichen Welten

EZB und Fed in unterschiedlichen Welten

Inflation könnte 2025 in der Eurozone nachhaltig auf den Zielwert fallen – US-Notenbank davon noch weit entfernt

Von Martin Pirkl, Frankfurt

Die EZB steht vor deutlichen Zinssenkungen in diesem Jahr. Die Lage der Fed ist eine ganz andere. Das hängt nicht nur mit dem Wahlsieg Donald Trumps zusammen. Sollte das Zinsdifferential deutlich auseinander gehen, könnte der Euro gegenüber dem Dollar auf die Parität fallen.

Ein Blick auf die Leitzinskurven in den USA und in der Eurozone offenbart, dass sich die Geldpolitik dies- und jenseits des Atlantiks häufig stark ähnelt. Zumeist ist die Fed bei geldpolitischen Kurswechseln zuerst an der Reihe, die EZB schlägt etwas später dieselbe Richtung ein. Im aktuellen Zinszyklus ist die Lage jedoch eine andere – und das nicht nur, weil die EZB 2024 vor der US-Notenbank mit Zinssenkungen begonnen hat.

Das Zinsdifferential wird in diesem Jahr aller Voraussicht nach deutlich größer werden. Denn während die Europäische Zentralbank auf einige Zinssenkungen in den kommenden Monaten zusteuert, könnte die Lockerung der Fed kurz vor Weihnachten die letzte für einige Zeit gewesen sein. Und während sich im Euroraum die Diskussion darum dreht, ob die EZB auf einer ihrer nächsten Sitzungen eine Zinssenkung um 50 statt um 25 Basispunkte verkünden könnte, wird in den USA darüber spekuliert, wie wahrscheinlich eine Zinserhöhung im Laufe des Jahres ist. „Sollte die Nachfrage in den USA wegen größerer Steuersenkungen anziehen und die Zölle sowie die Migrationspolitik einen negativen Angebotsschock auslösen, könnte die Fed 2025 eine Zinserhöhung beschließen“, sagt Christian Keller, Chefökonom von Barclays.

Hohes US-Wirtschaftswachstum

„Die Fed dürfte 2025 nicht unter 4% gehen und damit im restriktiven Bereich bleiben“, meint Shaan Raithatha, Ökonom bei Vanguard. Die Leitzinsspanne in den USA liegt derzeit bei 4,25 bis 4,5%. Für die EZB wiederum erwarten viele Volkswirte 2025 Lockerungen um rund 100 Basispunkte auf einen Einlagensatz, der dann bei circa 2% läge. Damit wäre die Geldpolitik der EZB definitiv nicht mehr restriktiv – wie von der Notenbank angepeilt.

Die unterschiedlichen Perspektiven haben gleich mehrere Gründe: die bisherige Entwicklung der Inflation und der Konjunktur sowie die Wirtschaftspolitik des kommenden US-Präsidenten Donald Trump. Die EZB sieht sich beim Inflationsziel auf der Zielgeraden. Ende 2024 lag die Teuerung bei 2,4%. 2025 könnte sie auf 2% fallen. Von der schwächelnden Euro-Konjunktur – vor allem in der größten Volkswirtschaft Deutschland – geht wenig Inflationsdruck aus. Die Ausnahme hiervon sind die Dienstleistungspreise, die wegen deutlichen Lohnerhöhungen 2024 stark gestiegen sind. Hier erwarten die EZB und viele Ökonomen jedoch 2025 ein Nachlassen der Dynamik. Sollte sich das bewahrheiten, stehen die Chancen gut, dass die Notenbank im Laufe des Jahres ihr Inflationsziel erreicht.

Inflationsziel der Fed noch in weiter Ferne

Der Fed wird das nicht gelingen. Sie peilt an, die Inflation bis 2026 auf 2% zu bringen. Anders als in der Eurozone geht zudem in den USA von der Wirtschaft ein größerer Inflationsdruck aus. Der IWF prognostiziert für die USA in diesem Jahr ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von 2,2%. Für den Euroraum erwartet der Fonds nur 1,2%. „Das Risiko, die Inflation mittelfristig zu unterschreiten, ist für die EZB größer, als sie zu überschreiten. Für die Fed sieht es andersherum aus“, meint Raithatha.

Ein wesentlicher Grund, weshalb die Geldpolitik von EZB und Fed 2025 stark auseinanderklaffen könnte, sitzt demnächst wieder im Weißen Haus. Donald Trumps Wirtschaftspolitik könnte die Inflation in den USA deutlich verstärken. Höhere Einfuhrzölle, eine restriktive Migrationspolitik und Steuersenkungen dürften allesamt den Preisdruck in den Vereinigten Staaten erhöhen. Wobei noch unklar ist, wie genau Trump seine Politik umsetzen wird und wie andere Staaten auf mögliche Zölle reagieren werden.

Ambivalente Auswirkungen

Die Effekte der angedrohten Strafzölle auf die Euro-Inflation sind schwieriger vorherzusagen. Handelshemmnisse und mögliche Gegenzölle der EU würden die Inflation verstärken. Ein schwächeres Wirtschaftswachstum der exportorientierten Euro-Wirtschaft würde den Inflationsdruck wiederum dämpfen. Zudem gibt es die Befürchtungen, dass China noch mehr billige und subventionierte Produkte nach Europa exportieren könnte, wenn dem Reich der Mitte der Absatzmarkt USA zu Teilen wegfällt. Auch das würde deflationär wirken.

Wie stark wertet der Euro ab?

Nicht wenige Ökonomen gehen daher unter dem Strich davon aus, dass die Politik von Trump die Fed zu weniger und die EZB zu mehr Zinssenkungen bringen könnte. „Die Politik Trumps wird für Europa eher inflationsdämpfend werden, da sie das europäische Wirtschaftswachstum schwächt und zudem die Energiepreise niedriger ausfallen dürften“, meint Keller.

Sollte das Zinsdifferential größer werden, hätte das auch Auswirkungen auf den Euro-Dollar-Wechselkurs. Aufgrund der höheren Zinsen in den USA würde der Euro abwerten – möglicherweise bis auf Parität. Was wiederum europäischen Exporteuren etwas helfen würde. In Dollar notierte Rohstoffe würden wiederum für europäische Unternehmen teurer werden. „Selbst bei einer Parität dürften die inflationsverstärkenden Effekte für die Eurozone jedoch überschaubar sein“, beruhigt Raithatha.


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