EZB will „agil“ auf Zollkonflikt reagieren
EZB will „agil“ auf Zollkonflikt reagieren
Zinssenkung um 25 Basispunkte – Weitere Schritte offen – Lagarde baut Druck auf EU auf
Die EZB senkt abermals die Leitzinsen und hält sich offen, wie es in der Geldpolitik weitergeht. Ökonomen begrüßen die Zinssenkung und erwarten mehrheitlich eine weitere Lockerung der Notenbank im Juni. Die Einschätzungen im EZB-Rat zu den inflationären Effekten der Zölle divergieren.
mpi Frankfurt
Die EZB sieht sich auf einem guten Weg ihr Inflationsziel von 2% zu erreichen und senkt den Einlagensatz zum sechsten Mal in Folge um 25 Basispunkte. Gleichzeitig strich die Notenbank in ihrer Kommunikation die Passage, wonach die Geldpolitik restriktiv auf die Euro-Wirtschaft wirke. EZB-Präsidentin Christine Lagarde begründete dies damit, dass das Konzept des neutralen Zinses aktuell an Bedeutung verloren habe. „Das Konzept funktioniert in einer Welt ohne Schocks und in einer solchen leben wir im Moment nicht“, sagte sie bezogen auf den von den USA losgetretenen globalen Zollkonflikts.
Es gebe im EZB-Rat unterschiedliche Ansichten darüber, wie sich die Zölle kurz- und langfristig auf die Euro-Inflation auswirken werden. Man habe über verschiedene Optionen debattiert, sich am Ende aber einstimmig für eine Lockerung um 25 Basispunkte entschieden. Dass dem so war, liegt auch daran, weil der österreichische Notenbankpräsident Robert Holzmann dieses Mal nicht stimmberechtigt war. Er hatte jüngst öffentlich gesagt, dass er keinen Grund für eine weitere Zinssenkung sehe.
Ökonomen begrüßen die Zinssenkung
Hinsichtlich der kommenden Zinsentscheide wollte Lagarde keine klaren Hinweise geben. Man lege sich auf nichts fest, erst recht nicht angesichts der „außergewöhnlich hohen Unsicherheit“. „Es gibt keine bessere Zeit, um basierend auf verlässlichen Daten von Sitzung zu Sitzung über die Geldpolitik zu entscheiden“, sagte die EZB-Präsidentin. Man werde „agil“ sein und auf die Datenlage und eventuelle neue Schocks reagieren.

Ökonomen begrüßten die Zinssenkung und erwarten mehrheitlich eine weitere beim kommenden Entscheid Anfang Juni. „Die erneute Leitzinssenkung ist eine angemessene Reaktion der Geldpolitik auf die großen Konjunkturrisiken und den absehbaren Inflationsrückgang im Euroraum“, sagte Michael Heise, Chefökonom HQ Trust. „Es sind wohl weitere Zinssenkungen der EZB zu erwarten.“
Botschaft an die EU
Auch Andreas Bley, Chefvolkswirt des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), ist mit der Entscheidung der EZB einverstanden. „Die EZB soll in den kommenden Monaten jedoch vorsichtig agieren und sich nicht zu sehr von kurzfristigen Entwicklungen leiten lassen“, sagte er. „Die expansivere Fiskalpolitik, insbesondere das deutsche XXL-Finanzpaket, könnte langfristig zu einem höheren neutralen Zins und zusätzlichem Preisdruck im Euroraum führen. Eine Zinspause wäre daher in den kommenden Monaten ratsam, um die langfristigen Auswirkungen besser abschätzen zu können.“
Lagarde nutze die Pressekonferenz nach dem Zinsentscheid auch für eine Botschaft an die EU. „Jetzt ist der Moment für Europa“, sagte sie. Die EU müsse endlich Fortschritte bei der rechtlichen Grundlage für den digitalen Euro schaffen, die Kapitalmarktunion vorantreiben und allgemein die Wettbewerbsfähigkeit der EU stärken.
Trump greift Powell an
Am Mittwoch hatte Fed-Chef Jerome Powell wiederum die Erwartungen an Zinssenkungen der US-Notenbank gedämpft und die Finanzmärkte damit enttäuscht. Zwar dürften die US-Zölle zu einem langsameren Wirtschaftswachstum in den USA führen, aber auch die Inflation mindestens vorübergehend verstärken. „Die inflationstreibenden Effekte könnten aber auch hartnäckiger sein“, sagte Powell. Eine Zinssenkung der Fed im Mai ist unwahrscheinlich und auch eine Lockerung im Juni unsicher. Die Aussagen lösten Zorn bei US-Präsident Donald Trump aus, der Zinssenkungen der Fed möchte. „Powells Kündigung kann nicht schnell genug kommen“, schrieb Trump auf seiner Plattform Truth Social.
Verbale Unterstützung bekam Powell am Donnerstag von EZB-Präsidentin Lagarde. Sie habe viel Respekt für ihren „geschätzten Kollegen und Freund“ Powell, sagte Lagarde. „Wir pflegen eine stetige feste Beziehung unter Zentralbankern.“ Diese Beziehung sei entscheidend, um eine solide Finanzinfrastruktur zu haben und Finanzstabilität zu erreichen. Man habe gezeigt, dass man handeln könne auf dieser Grundlage von Beratungen und dem Verständnis von Finanzrisiken und werde das sicher unverändert weiter tun, sagte Lagarde.