Im InterviewFritzi Köhler-Geib

Finanzierungskonditionen nur ein hemmender Faktor unter vielen

Die Zinssenkung der Europäischen Zentralbank Anfang Juni ist so gut wie sicher. Inwieweit sich diese auf die Unternehmensinvestitionen in Deutschland auswirken wird, erklärt KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib im Interview der Börsen-Zeitung.

Finanzierungskonditionen nur ein hemmender Faktor unter vielen

Im Interview: Fritzi Köhler-Geib

Finanzierungskonditionen nur ein hemmender Faktor unter vielen

KfW-Chefvolkswirtin erwartet positiven Effekt der EZB-Zinssenkung auf Unternehmensinvestitionen

Die Fragen stellte Alexandra Baude.

Die Zinssenkung der Europäischen Zentralbank Anfang Juni ist so gut wie sicher. Inwieweit sich diese auf die Unternehmensinvestitionen in Deutschland auswirken wird, erklärt KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib im Interview der Börsen-Zeitung.

Frau Köhler-Geib, es wird allenthalben beklagt, dass in Deutschland zu wenig investiert wird. Es gibt aber sicher gute Gründe, zu investieren – oder?

Investitionen sind für Unternehmen essenziell zur Sicherung der eigenen Wettbewerbsfähigkeit und der der deutschen Wirtschaft. Für die Unternehmen geht es bei Investitionen auch oft darum, Marktanteile an wachsenden Märkten zu erschließen, hier gibt es insbesondere im Bereich der grünen Technologien Chancen. Der Umbau zu einer nachhaltigen Wirtschaft erfordert gerade erhöhte Anstrengungen und geht mit einem hohen Investitionsbedarf einher. Auch bei der Digitalisierung gibt es großen Nachholbedarf, die Covid-Krise hat hier immerhin einen Schub ausgelöst. Es ist daher von großer Bedeutung, die Investitionstätigkeit der Unternehmen anzuregen und intelligent zu unterstützen.

Was sind derzeit die größten Investitionshemmnisse?

Wir wissen aus unserer aktuellen Umfrage im Mittelstand vom April, dass vor allem die gesamtwirtschaftliche Entwicklung Deutschlands eine stark investitionshemmende Wirkung im ersten Quartal 2024 entfaltet hat. Hier spiegelt sich die schwierige konjunkturelle Lage zum Jahresbeginn wider und daraus folgend die Umsatzentwicklung des eigenen Unternehmens. Aber auch das Preisniveau (für Material, Energie, Löhne) sowie gesetzliche Vorgaben werden von den Unternehmen derzeit als relevante Investitionshemmnisse eingestuft. Die Finanzierungskonditionen werden ebenfalls als hemmender Faktor für die eigene Investitionstätigkeit wahrgenommen – sie liegen in der Gesamtsicht aber hinter den anderen.

Wenn die EZB tatsächlich wie angekündigt im Juni die Zinsen senkt, verbessern sich die Finanzierungskonditionen – kommen dann auch die Investitionen wieder in Schwung?

Von einem positiven Effekt ist durchaus auszugehen. Wir rechnen mit einem leichten Zusatzeffekt von rund 5% bis 6% der mittelständischen Unternehmen, die bei einer Leitzinssenkung ihre Investitionen sehr wahrscheinlich über das im Jahr 2024 vorgesehene Maß hinaus ausweiten würden. Das sind immerhin rund 200.000 Unternehmen. Dazu kommen diejenigen, die Investitionen geplant haben, sich aber aufgrund der aktuellen Diskussion noch in Wartestellung befinden. Wie groß der Schwung letztlich ausfällt, kommt natürlich auch auf die Zahl und Höhe der Zinsschritte an und darauf, ob die Unternehmen ihre Pläne auch umsetzen.

Spielen Zinssenkungen für den Mittelstand überhaupt eine nennenswerte Rolle?

Für die breite Masse des Mittelstands – von denen fast 80% weniger als fünf Beschäftigte zählen – spielt eine Leitzinssenkung eher eine überschaubare Rolle. Das hat verschiedene Gründe. Entweder sind ohnehin keine Investitionen vorgesehen. Oder Investitionen sind ohne Bankkredite geplant. Traditionell finanziert der Mittelstand den Löwenanteil seiner Investitionen mit Eigenmitteln, zuletzt 51%. Wird Fremdkapital genutzt, spielen Zinsen für viele Unternehmen oft keine ausschlaggebende Rolle, da es sich überwiegend um Kleinstkredite handelt. In Summe sind Finanzierungskosten somit ein wichtiger, aber eben nur ein Investitionshebel unter mehreren.

Welche Investitionsbereiche dürften von einer Zinssenkung besonders profitieren?

Da haben wir erfreuliche Nachrichten. Investitionsimpulse werden insbesondere in den Bereichen Digitalisierung sowie Klimaschutz und Energieeffizienz erwartet. Eine Zinssenkung wird also auch den Transformationsanstrengungen der Unternehmen nützen. Vier von zehn Unternehmen wollen bei verbesserten Finanzierungskonditionen die zusätzlichen Investitionen für digitale und nachhaltige Projekte nutzen. Zudem wird ein merklicher Teil der durch die Zinswende ausgelösten Investitionen der Erneuerung bestehender Anlagen oder Maschinen zugutekommen. Das hilft dann auch, Produktivität und Effizienz der Unternehmen zu stärken.

Das Interview führte Alexandra Baude.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.