IMK-Konjunkturausblick

Gewerkschaftsinstitut kritisiert Zinspolitik der EZB

Eine zu starke Straffung gefährde die Stabilität des Arbeitsmarktes, kritisiert das IMK in seinem Konjunkturausblick 2023. Zudem warnen die Ökonomen vor einem Handelskonflikt mit den USA – und raten zur Umsicht.

Gewerkschaftsinstitut kritisiert Zinspolitik der EZB

ast Frankfurt

Das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) kritisiert in seinem Konjunkturausblick die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Es handle sich um „zinspolitischen Aktionismus“, denn gegen den Haupttreiber der hohen Inflation, die stark gestiegenen Energiepreise, sei die EZB machtlos, sagte IMK-Direktor Sebastian Dullien. Hier sei eher die Bundesregierung gefragt. Gleichzeitig blicken die Ökonomen optimistischer auf die konjunkturelle Entwicklung in Deutschland in diesem Jahr. Statt mit einem Rückgang um 1,0% wie im September rechnen die IMK-Ökonomen nun nur noch mit Wachstumseinbußen von 0,3%.

„Die wirtschaftlichen Schocks, die der russische Überfall auf die Ukraine ausgelöst hat, sind auch in Deutschland hart und schmerzhaft, und sie sind längst nicht vorbei“, sagte IMK-Direktor Dullien bei der Vorstellung der Studie. Die Bundesregierung habe aber den Druck auf Einkommen und Wachstum infolge der großen Preissteigerungen reduziert. „Das Zusammenspiel von staatlichen, tariflichen und betrieblichen Maßnahmen hat einen härteren Wirtschaftseinbruch abgewendet“, er­klärte Dullien.

Die Energiepreisbremsen seien wirtschaftspolitisch sinnvoll, schreiben die Ökonomen. Sie wirkten als zusätzliche „automatische Stabili­satoren“. Da sich die Zahlungen an der tatsächlichen Preisentwicklung orientierten, begrenzten sie die Mehrausgaben der Privathaushalte wirksam und verhinderten dadurch noch stärkere Einbußen bei den privaten Konsumausgaben.

Verbesserungsbedarf sehen die IMK-Forscher insbesondere jedoch bei der Verteilungsgerechtigkeit der geschnürten Entlastungspakete. Sie bemängeln etwa eine fehlende Obergrenze für wohlhabende Haushalte bei den Energiepreisbremsen. Auch die Steuerpflicht für die Entlastungszahlungen treffe allenfalls Spitzenverdiener und sei daher eher symbolisch. Für die nähere Zukunft benennt das IMK insbesondere eine „überzeugende Antwort auf die offensive Industriepolitik der USA, eine Stärkung des Tarifsystems und einen beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien“ als wichtige Aufgaben.

Deutlich mehr Kritik als an der Bundesregierung formulieren die IMK-Ökonomen an der Zinspolitik der EZB. „Eine Geldpolitik, die die Zügel zu straff anzieht, könnte die Erfolge des bisherigen Krisenmanagements in Frage stellen, ohne ihr Ziel zu erreichen“, warnte Dullien. Natürlich seien die hohen Energiepreise, der Haupttreiber der Inflation, ein großes Problem. Doch hier sei die EZB machtlos. Und für eine Verfestigung der Inflation gebe es im Euroraum „keine überzeugenden Indizien“. Besonders niedrige und mittlere Einkommen litten unter der Teuerung, so Dullien. „Aber niemand hat etwas davon, wenn durch zinspolitischen Aktionismus die Konjunktur noch stärker ausgebremst wird und die Stabilität auf dem Arbeitsmarkt verloren geht.“ Seit Juli hat die EZB ihre Leitzinsen um 250 Basispunkte und damit so aggressiv angehoben wie nie zuvor.

Kritisch sehen die Ökonomen auch das Inflationsbekämpfungsgesetz (IRA) der USA. Mit dem IRA nähmen die USA einen Verstoß gegen die Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) bewusst in Kauf. Die Sorge der hiesigen Wirtschaft, auf Basis des IRA grundlegend diskriminiert zu werden, teilt das IMK, „weil die Gefahr besteht, dass in wichtigen Leitmärkten wie der Batteriezellenproduktion Standortentscheidungen für die USA und gegen die EU fallen“. Die Ökonomen warnen allerdings vor einem Handelskonflikt. Sie raten stattdessen den EU-Partnern dazu, ihrerseits eine aktivere Industriepolitik zu betreiben.