Gewitterwolken über deutscher Wirtschaft
Gewitterwolken über deutscher Wirtschaft
ZEW-Konjunkturerwartungen geben unerwartet deutlich nach − BGA warnt vor Außenhandelsminus
ba Frankfurt
Das neue Jahr startet konjunkturell schwach. Die Börsenexperten zeigen sich pessimistischer als erwartet, die Sparkassen-Finanzgruppe erwartet für 2025 gerade mal eine Stagnation und der Groß- und Außenhandelsverband BGA warnt, dass der Großhandel um das Überleben kämpfe, während der Wirtschaftsmotor Außenhandel nicht mehr nur stottere, sondern erkennbar ausgefallen sei. Vor allem die strukturellen Probleme der heimischen Wirtschaft und die anstehende Bundestagswahl werden mit Sorge betrachtet.
Schwächer als erwartet
Die ZEW-Konjunkturerwartungen sind im Januar um 5,4 auf 10,3 Punkte gefallen. Ökonomen hatten erwartet, dass der Blick auf die kommenden sechs Monate pessimistischer ausfällt, hatten aber nur einen Rückgang auf 15,3 prognostiziert. Das Barometer für die aktuelle Lage kletterte um 2,7 auf minus 90,4 Punkte. Die Voraussage der Bankvolkswirte lag hier bei einem unveränderten Wert von minus 93,1 Punkten.
„Das zweite Rezessionsjahr in Folge lässt die Konjunkturerwartungen sinken“, kommentierte Achim Wambach, Chef des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), das Ergebnis der monatlichen Umfrage unter 156 Analysten. Ursächlich seien die schlechten Wachstumszahlen sowie der steigende Inflationsdruck. „Ausbleibende Konsumausgaben der privaten Haushalte sowie eine schwache Baunachfrage belasten weiterhin die deutsche Wirtschaft.“ Sollten sich diese Trends fortsetzen, werde Deutschland weiter hinter die restlichen Euro-Länder zurückfallen.
Sparkassen erwarten Stagnation
Im vergangenen Jahr schrumpfte die deutsche Wirtschaft um 0,2%, 2023 ging es um 0,3% nach unten. Zwei Rezessionsjahre in Folge gab es zuletzt 2002/03. Kommende Woche gibt das Statistikamt Eurostat die erste Schnellschätzung für die Euro-Wirtschaft ab. Deutschland wird sich weiterhin als Bremsklotz im gemeinsamen Währungsraum erweisen, während Spanien die zuverlässige Wachstumslokomotive gibt. Wenig überraschend sind die Börsianer für die Euro-Wirtschaft etwas positiver gestimmt: Sowohl das Barometer für die aktuelle Lage als auch die Erwartungskomponente legten laut ZEW leicht zu.
Die Gemeinschaftsprognose der Sparkassen avisiert für dieses und das kommende Jahr ein Wirtschaftswachstum von 1,0% bzw. 1,2% im Euroraum. Der deutschen Wirtschaft wird 2025 ein Plus von 0,2% vorausgesagt. 2026 sollen es dann 1,0% werden. Positive Impulse werden dabei vom Konsum − vor allem des staatlichen, aber auch des privaten − erwartet, wohingegen der Außenhandel bremst, da die Importe stärker als die Exporte zulegen. „Mit neuem Schwung ist im laufenden Jahr nicht zu rechnen“, erwartet auch Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank. „Hierfür ist für die exportabhängige deutsche Industrie das außenwirtschaftliche Umfeld zu schwach.“ Dem Export wehe aus den USA ein kalter Wind entgegen. Dies zeigt sich auch in den Prognosen des BGA, in denen ein etwaiger Handelskonflikt aber noch nicht richtig enthalten ist. Trump drohe zwar häufig, sei aber ein Pragmatiker, heißt es beim BGA. Der Branchenverband erwartet, dass die Außenhandelsumsätze in diesem Jahr preisbereinigt um 2,7% sinken. Für den Großhandel wird preisbereinigt eine Stagnation prognostiziert, nach −1,0% im Jahr 2024.
Größter Wunsch: Bürokratieabbau
„Der Mittelstand hat das Vertrauen in Deutschlands Zukunft verloren“, betonte BGA-Präsident Dirk Jandura. „Für uns ist die Wahl am 23. Februar eine Schicksalswahl.“ Das Fundament der deutschen Wirtschaft bröckele: Die Aufträge brechen weg, die Investitionen sinken, die Insolvenzen steigen. „Wenn der Mittelstand dichtmacht, erholt sich dieses Land nicht mehr.“ Der BGA fordert daher ein Sofortprogramm für das wirtschaftliche Wachstum. Dazu zählten Investitionen in Infrastruktur sowie wirtschaftsfreundliche Rahmenbedingungen am Standort. „Der größte Hebel für eine neue Regierung ist aber die Bürokratie.“ Mit Blick auf die Arbeitskosten fordert der BGA, den Gesamtsozialversicherungsbeitrag wieder auf unter 40% zu senken.
Der DSGV fordert gleichfalls eine Abkehr von bürokratischen Hürden, um gezielt in Infrastrukturprojekte zu investieren. Dabei müsse jedem neuen Euro Schulden ein dauerhafter Vermögenswert gegenüberstehen. „Wir brauchen eine Politik, die Investitionen für private Akteure attraktiver macht und gleichzeitig den Mut hat, grundlegende Reformen anzupacken“, erklärte DSGV-Präsident Reuter bei der Vorlage der Konjunkturprognose.
Börsianer sehen US-Wirtschaft positiv
Neben dem konjunkturellen Ungemacht bereitet den Börsianern auch die politische Unsicherheit Sorgen. „Diese wird getrieben durch eine mögliche schwierige Koalitionsbildung in Deutschland sowie Unklarheit über die Wirtschaftspolitik der Trump-Regierung“, erklärte ZEW-Chef Wambach. Die Inauguration von Donald Trump hat ihre Schatten vorausgeworfen: Die Erwartungen für die US-Wirtschaft blieben zwar stabil, die aktuelle Lage wurde aber deutlich besser eingeschätzt.