Wirtschaftsweise zur Wirtschaftspolitik

Grimm: Zu viel Staat bremst Investitionen aus

Die Wachstumskrise in Deutschland ist nach Auffassung der Wirtschaftsweisen auch ein strukturell politisches Problem: Der Staat ist zu übergriffig und setzt die falschen Signale.

Grimm: Zu viel Staat bremst Investitionen aus

Grimm: Zu viel Staat
bremst Investitionen aus

Wirtschaftsweise verlangt nach einem Rückzugskonzept

lz Frankfurt

Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm hat von der Politik ein Konzept zum Rückzug des Staates gefordert. Bei einem Vortrag am Institute for Monetary and Financial Stability (IMFS) in Frankfurt legte sie dar, dass eine Senkung der Staatsquote zu mehr privatem Engagement in diesen Bereichen führe mit mehr Investitionen. Denn der Staat reagiere und entscheide zu langsam, würde eher für Verunsicherung bei Investoren sorgen, und habe sich ohnehin in Bereiche eingemischt, die nicht notwendig der Staatssphäre zuzuordnen sei.

Als Beispiel verwies sie auf den Verkehrssektor, wo dringliche Investitionen anstünden. Wenn statt eines Verkehrsinfrastrukturfonds, wie die Mehrheit der Ratsmitglieder fordere, eine Infrastrukturgesellschaft eingerichtet würde nach dem Modell der österreichischen Asfinag, könnten Investitionen schneller beauftragt werden. Die Kosten könnten über Gebühren hereingeholt werden. Und in der Energiepolitik würden Investitionsentscheidungen verlässlicher und zielgenauer gefällt, wenn das über Preissignale via CO2-Abgabe erfolge als über staatliche Markteingriffe und detaillierte Vorgaben.

Wasserstoffnetz durchreguliert

Grundsätzlich warnte Grimm von einer Überregulierung des Energiesektors. „Wir haben das Wasserstoffnetz schon durchreguliert, bevor es überhaupt existiert“, sagte sie. Das treibe Investoren nur ins Ausland und bremse das Engagement der Unternehmen. Die Gefahr besteht ihrer Ansicht nach auch bei der Etablierung und Verbreitung der Künstlichen Intelligenz (KI). Die aktuellen Regulierungsvorhaben seien sehr restriktiv und könnten das Wachstumspotenzial kappen, bevor es sich entfalten könne. Auch im Wohnungssektor sprach sie sich für mehr Freiheiten für Vermieter aus. Kappungsgrenzen würden energetische Sanierungen oft unterbinden. Stattdessen stiegen für die Mieter aber dann die Nebenkosten.

Verschuldung „reservieren“

Dringend notwendig ist Grimm zufolge auch eine Föderalismus- und Kommunalreform, etwa um den Kommunen mehr Finanzspielraum zukommen zu lassen. Zumal sie einen Großteil der öffentlichen Bauinvestitionen stemmen würden. Ihnen sollte es künftig möglich sein, Verschuldungspotenzial zu „reservieren“, um den Investitionsaufträge über die Jahre verstetigen zu können. Das helfe der Wirtschaft bei der Planung der Kapazitäten und gebe Investitionssicherheit.

Sorge wegen Fiskalregeln

Sorge bereitet der Wirtschaftsweisen die aktuelle Handlungsunfähigkeit der noch amtierenden Bundesregierung wegen der lang andauernden Zeit bis zur Regierungsübernahme. Die europäischen Fiskalregeln würden auch Deutschland gewisse Pflichten auferlegen. Doch bislang habe es die Ampelregierung nicht geschafft, mit Brüssel einen länderspezifischen Schuldenabbauplan zu vereinbaren. Das schwäche die Verhandlungsposition der EU-Kommission gegenüber den weitaus höher verschuldeten anderen EU-Staaten und höhle die Fiskalregeln aus.

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