Teuerung und Demokratie

Hohe Inflation treibt Populisten die Wähler zu

Der Zusammenhang zwischen hoher Inflation und Stimmengewinnen für Populisten ist naheliegend. Eine Studie des Kieler Instituts zeigt aber, wo Demokraten ansetzen können.

Hohe Inflation treibt Populisten die Wähler zu

Hohe Inflation hilft den Populisten

Studie des Kieler Instituts wertet Wahlen und Wirtschaftsdaten aus

lz Frankfurt

Kommentar Seite 2

Teuerung und Wachstumsschwäche treiben extremistischen und populistischen Parteien die Wähler zu. Verantwortlich dafür sind nach einer Studie des Kiel Instituts für Weltwirtschaft (IfW), für die 365 Wahlen in 18 Industrieländern zwischen 1948 und 2023 untersucht wurden, vor allem spürbare Kaufkraftverluste. Daraus, so schreiben die Autoren, lasse sich aktuell auch ein Teil des Zuspruchs für Donald Trump in den USA sowie für die AfD und das BSW in Deutschland erklären.

Der Zusammenhang ist grundsätzlich bekannt, die Studie lässt aber erstmals auch Abschätzungen über die konkreten Auswirkungen des damit einhergehenden Stimmenentzugs für demokratische Parteien zu. So sorgt ein Inflationsschock von 10 Prozentpunkten während einer Legislaturperiode in Verbindung mit unterdurchschnittlich wachsenden Löhnen für einen Zugewinn in Höhe von 2,8 Prozentpunkten bei der nächsten Wahl für populistische und extremistische Parteien.

Hinzu kommen weitere Reaktionen: Steigt die Inflation schneller als die Löhne, verstärkt sich die Unzufriedenheit in der Bevölkerung, was sich dann in mehr Demonstrationen und Streiks Bahn bricht: Liegt die Inflation um einen Prozentpunkt über der Inflationserwartung, steigt nach der IfW-Auswertung die Zahl der Demonstrationen um etwa 8%.

Überraschungsmoment heikel

Dieses Ergebnis gelte generell für Zeiten hoher Inflation wie den Preisschock nach der Corona-Pandemie. Besonders gefährlich für politische Amtsinhaber ist dabei aber vor allem der Überraschungsmoment. Liegt die tatsächliche Inflation deutlich über den kommunizierten Inflationserwartungen, scheint die Wählerwanderung nach links und rechts besonders ausgeprägt zu sein. Umgekehrt wird sie gedämpft, wenn die Reallohnverluste zügig durch höhere Löhne verringert werden. „Extreme Parteien profitieren, wenn die Preissteigerungen höher ausfallen als erwartet und wenn Arbeitnehmer und andere Wirtschaftsakteure keine Möglichkeit hatten, sich durch angemessene Lohnerhöhungen auf die Inflation vorzubereiten“, sagt Jonathan Federle, Wissenschaftler am IfW Kiel.

Das gilt auch für das Wachstum. Ein plötzlicher Einbruch stärkt Populisten, positive Überraschungen schwächen sie. Auch hier warten die Kieler Ökonomen mit einer Faustregel auf: Fällt das Wachstum um einen Prozentpunkt höher aus als erwartet, sinkt der Stimmenanteil radikaler Parteien um etwa 0,25 Punkte.

„Die Ergebnisse werfen ein Schlaglicht auf die bevorstehenden vorgezogenen Bundestagswahlen“, sagt Federle. „Denn in Deutschland sind Inflation und Wachstum in den letzten drei Jahren deutlich von den Erwartungen abgewichen.“ Insgesamt, so prognostiziert er, dürfte die Zustimmung zu radikalen Parteien am linken und rechten Rand allein dadurch um 2 Prozentpunkte zugelegt haben.


Kommentar zur IfW-Inflationsstudie

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