Hohe Zinsen belasten deutsche Wirtschaft besonders stark
Hohe Zinsen belasten Deutschland besonders stark
Bundesbank untersucht ökonomische Kosten der restriktiven Geldpolitik der EZB
mpi Frankfurt
Die restriktive Geldpolitik der EZB seit 2022 bremst die Wirtschaft in der Eurozone spürbar ab – jedoch je nach Land in sehr unterschiedlichem Ausmaß. Besonders stark sind die negativen Effekte auf die Konjunktur in Deutschland. Zu diesem Schluss kommt die Bundesbank in einer Untersuchung für den Monatsbericht Juli.
Bislang hat der Rückgang der Inflation um einen Prozentpunkt das deutsche Bruttoinlandsprodukt um etwas mehr als 0,3% gesenkt. Doch die ökonomischen Kosten werden wegen der verzögerten Wirkung der Geldpolitik auf die Realwirtschaft noch steigen. Nach den Berechnungen der Bundesbank könnten sie am Ende 1,2% pro Prozentpunkt Disinflation betragen.
Rückgang der Inflation nicht nur Ergebnis der Geldpolitik
Verglichen mit früheren Phasen der Disinflation ist dies ein typischer Wert für ein Industrieland – jedoch kein durchschnittlicher Wert für die derzeitige Phase der Geldpolitik. Denn in den meisten Ländern und auch für die gesamte Eurozone liegen die ökonomischen Kosten nach den Berechnungen der Bundesbank dieses Mal historisch betrachtet recht niedrig.
Dies liegt zum einen daran, dass der Rückgang der Inflation zu nicht unwesentlichen Teilen auf niedrigere Rohstoffpreise und ein Auslaufen der pandemiebedingten Lieferkettenprobleme zurückzuführen ist. Beide Effekte bremsen zwar die Teuerung, stützen gleichzeitig aber auch die Wirtschaft. Zum anderen stellt die Bundesbank in ihrer Untersuchung fest, dass die Bedeutung von zinssensitiven Investitionen in vielen Volkswirtschaften abgenommen hat. Hohe Zinsen wirken dadurch weniger restriktiv auf die Wirtschaft.
Kriselnde Baubranche
Ein Grund für die dennoch hohen ökonomischen Kosten des Rückgangs der Inflation für Deutschland ist die Lage des Bausektors. Anders als in vielen anderen Ländern der Währungszone gab es in dieser zinssensiblen Branche hierzulande bis zum Beginn der Pandemie einen deutlichen Aufschwung. Diesen hat die EZB mit ihren Zinserhöhungen beendet.
Deshalb erhofft sich die kriselnde Branche baldige Zinssenkungen der Notenbank. Eine Lockerung der Geldpolitik an diesem Donnerstag ist jedoch nicht zu erwarten. So signalisiert unter anderem der Zinskompass der Deka, der exklusiv vor jeder geldpolitischen Sitzung der EZB in der Börsen-Zeitung erscheint, eine Zinspause.
Im September könnte nach Einschätzungen vieler Ökonomen eine Zinssenkung um 25 Basispunkte erfolgen. Ob sich dies bewahrheitet, hängt viel von der Entwicklung der Löhne, der Profitmargen der Unternehmen und der Projektionen der Notenbank zu Inflation und Wirtschaftswachstum ab. Welche Kennzahl die wichtigste ist, darüber herrscht im EZB-Rat derzeit Uneinigkeit.
EZB-Strategieüberprüfung: Inflationsziel und Anleihekäufe dürften Notenbank beschäftigen
Berichte Seite 8