Ifo-Chef Fuest verlangt Radikalkur für Standort Deutschland
Ifo-Chef fordert Radikalkur für Standort D
Clemens Fuest präsentiert „Wachstumsagenda 2030“ – Grundlegender Umbau des Bundeshaushalts erforderlich
Nur eine grundlegende Neuausrichtung der deutschen Wirtschaftspolitik kann der deutschen Wirtschaft wieder auf die Beine helfen, meint Ifo-Chef Fuest. Dafür muss der Staatshaushalt komplett umgebaut und auf Investitionen ausgerichtet werden. Sozialtransfers müssen demgegenüber zurückstehen.
lz Frankfurt
Der Präsident des Ifo-Instituts, Clemens Fuest, hat eine radikale Neuausrichtung der deutschen Wirtschaftspolitik und Staatsausgaben gefordert. Nur mit einem Fokus hin zu mehr Investitionen in Verteidigung, Bildung, Klimaschutz und Infrastruktur könne der Standort Deutschland wieder attraktiv, das Wachstum wieder in Gang gesetzt und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft wiederhergestellt werden.
Um das zu finanzieren, müssten im Gegenzug alle Staatsausgaben zurückgefahren werden, die nicht zielgenau seien, betonte er bei der Vorstellung seiner „Wachstumsagenda 2030“ am Montagabend bei den Munich Economic Debates. Das gelte vor allem für Subventionen und für Sozialtransfers, die Beschäftigung hemmen. Alle „nicht prioritären Staatsausgaben“ müssten abgeschmolzen werden.
Auch andere Ökonomen wie IW-Chef Michael Hüther oder die Präsidenten von Wirtschaftsverbänden hatten zuletzt in Beiträgen und Interviews einen strukturellen Umbau der Staatsfinanzen verlangt, dies aber zusätzlich mit einer Reform der Schuldenbremse oder der Auflegung eines milliardenschweren Investitionssonderfonds verknüpft. Fuest zeigte sich offen für eine Reform der Schuldenbremse, betonte aber, dass dies erst am Ende eines Prozesses der finanzpolitischen Umstrukturierung und des Bürokratieabbaus stehen könne.
Exzeptionelle Krise
Vielfach wird die Problemlage in der deutschen Wirtschaft als einzigartig seit der deutschen Wiedervereinigung beschrieben, weil strukturelle Verschiebungen im Gang seien durch den Rückbau der Globalisierung und neue technologische Herausforderungen, denen die deutsche Wirtschaft nur wenig entgegenzusetzen habe. Obendrein seien notwendige Investitionen über viele Jahre unterblieben. Auch Fuest hält die aktuelle Krise für exzeptionell. „Deutschland steht angesichts neuer geopolitischer Risiken, des fortschreitenden Klimawandels und fehlender Wirtschaftsdynamik vor enormen Herausforderungen, jetzt müssen viele Themen parallel adressiert werden“, sagte Fuest.
Investitionen schrumpfen
In seiner Rede wies er insbesondere auf die schrumpfende Bruttowertschöpfung der Unternehmen hin, auf die sinkende Zahl von Arbeitsstunden pro Beschäftigtem und auf den Rückgang von Unternehmensinvestitionen. Letztere lägen deutlich unter dem Wert von 2019.
Damit Deutschland wieder Erfolgsgeschichten schreiben könne, bräuchte es ihm zufolge Fortschritte bei der Anpassung an die Klimaerwärmung bei gleichzeitigem Anstieg des Energieangebots. In diesem Zusammenhang plädiert er für einen Wiedereinstieg in die Kernenergie. Deutschland müsse zudem durch die Anwendung neuer Technologien wie künstlicher Intelligenz (KI) in Staat und Unternehmen erhebliche Produktivitätsfortschritte erzielen. Es bräuchte einen massiven Strukturwandel zu mehr Wertschöpfung bei mittelständischen Firmen, Hidden Champions und erfolgreichen Start-ups.
Preismechanismus stärken
Eine vermehrte Zuwanderung von Arbeitskräften und eine Verlängerung der Arbeitszeit pro Beschäftigtem könnte Fuest zufolge das Arbeitsangebot stabilisieren. Schließlich müsste Deutschland durch einen vertieften europäischen Binnenmarkt, neue Handelsabkommen und eine bessere Verteidigungsfähigkeit widerstandsfähiger werden gegen Veränderungen der geopolitischen Lage.
Ein Kernbestandteil seiner Agenda ist der Preismechanismus. Die Klimaziele müssten mehr über Marktmechanismen erreicht werden, sagt er, weniger durch kleinteilige politische Regelungen. Weitere Bestandteile seiner Wachstumsagenda sind: ein radikaler Abbau von Bürokratie sowie ein Steuersystem, das Arbeit und Investitionen entlastet und gleichzeitig Konsum und Grunderwerb stärker belastet.
Außerdem wären laut Fuest eine eigene Agenda für mehr Innovationen und Start-ups geboten, eine Vertiefung des EU-Binnenmarkts sowie der Abschluss weiterer Freihandelsabkommen. Letztendlich wird man ihm zufolge auch nicht umhinkommen, wegen der neuen Schwerpunktsetzung im Haushalt Sozialleistungen einzuschränken.