Ifo: Gefühlte Benachteiligung erhöht Zuspruch zu AfD und BSW
Gefühl der Benachteiligung Ostdeutschlands macht AfD und BSW stark
Ifo: Lage objektiv besser – IW: Große Teile der Bevölkerung halten ihre Regionen für „abgehängt“ – Landtagswahlen am 1. September
lz Frankfurt
Der im Osten Deutschlands besonders hohe Zuspruch der Wähler für die populistischen Parteien AfD und BSW ist nach einer Studie des Ifo-Instituts auf die gefühlte Benachteiligung der Menschen in diesen Regionen zurückzuführen. Viele hätten zudem die Sorge, bei den aktuellen Veränderungsprozessen den bisherigen sozialen und gesellschaftlichen Status nicht halten zu können. Hierauf deuten Auswertungen der Europawahl-Ergebnisse 2024 hin, welche die Ifo-Niederlassung Dresden vor den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg vorgenommen hat.
In den jüngsten Umfragen in den Bundesländern zu den anstehenden Landtagswahlen kommt die AfD auf bis zu 30%, das BSW (Bündnis Sahra Wagenknecht) auf bis zu 17%; Grüne und gar die SPD müssen teilweise um den Einzug in die Parlamente bangen. Am 1. September wählen Sachsen und Thüringen die Landesparlamente, am 22. September ist es dann in Brandenburg so weit.
Von Populisten ausgenutzt
Die Forscher legen allerdings Wert darauf, dass es sich bei den wirtschaftlichen Einschätzungen der ostdeutschen Bevölkerung größtenteils um eine „gefühlte“ Benachteiligung handelt. „Der Zuspruch für AfD und BSW ist nicht auf eine objektiv ungünstigere wirtschaftliche Situation zurückzuführen“, betonen sie.
Zudem finden populistische Parteien vor allem in Regionen Zuspruch, in denen eine hohe Zahl älterer Wahlberechtigter lebt und in denen die Menschen mit wenig Zuversicht in die Zukunft schauen, sagt Joachim Ragnitz, stellvertretender Leiter der Niederlassung. „Auch eine hohe Unzufriedenheit mit der eigenen wirtschaftlichen Situation begünstigt ein solches Wahlverhalten.“ Ein Zusammenhang zu Faktoren regionaler Wirtschaftskraft oder einer ungünstigen Arbeitsmarktsituation sei hingegen nicht festzustellen.
In der Analyse untersuchte das Ifo-Institut statistisch, inwieweit die Wahlergebnisse der Europawahl 2024 in den Landkreisen mit wirtschaftlichen und nichtwirtschaftlichen Faktoren sowie mit der Stimmungslage zusammenhängen. Als bedeutsam erwiesen sich insbesondere die Umfrageergebnisse im Gleichwertigkeitsbericht der Bundesregierung.
Unzufrieden trotz positiver Entwicklung
Eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) unterstreicht die Ergebnisse der Ifo-Forscher: Trotz wirtschaftlicher Aufholprozesse und positiver Arbeitsmarktentwicklung sind viele Ostdeutsche unzufrieden mit der ökonomischen Entwicklung, betont das IW. In seiner Umfrage halten 21% ihren Landkreis oder ihre Stadt sogar für „abgehängt“. Der größte Pessimismus sei in schrumpfenden Regionen zu verorten. Insofern schlagen hier zum einen die zunehmende Alterung, zum anderen die Abwanderung zu Buche, was wirtschaftliche Erfolge oft überstrahle, meint IW-Studienautor Matthias Diermeier.
AfD in Thüringen vorn
Wie aus der jüngsten Erhebung der Forschungsgruppe Wahlen e.V. für das ZDF-Politbarometer hervorgeht, hat die AfD in Thüringen und in Sachsen bei der Landtagswahl am 1. September Chancen, stärkste Kraft zu werden. In Sachsen liegt die CDU von Regierungschef Michael Kretschmer mit 33% noch vor der AfD, die auf 30% kommt. Im Vergleich zur vorherigen Erhebung des gleichen Instituts würde die CDU nun einen Prozentpunkt schwächer abschneiden. Infratest Dimap hingegen sieht die CDU in einer am Donnerstag veröffentlichten Umfrage bei 31%.
SPD hart an Fünf-Prozent-Hürde
In Thüringen kommt die AfD um Rechtsaußen Björn Höcke ebenfalls auf 30% und liegt dort damit aber auf Platz eins. Die restlichen Platzierungen würden eine Regierungsbildung besonders schwer machen: Die CDU liegt mit 23% auf dem zweiten Platz, das BSW käme mit 17% auf Platz drei und die Linke mit 14% nur noch auf Platz vier. Die Grünen könnten aus dem Parlament fliegen, und auch die SPD wäre mit 6% gefährlich nahe an der Fünf-Prozent-Hürde.