Reformen

Irland fürchtet Einnahmeverluste

Irland hat in den vergangenen Jahren von einem niedrigen Körperschaftsteuersatz profitiert. Die von der G7 verfolgte globale Mindestbesteuerung von Unternehmen könnte die Steuereinnahmen erheblich drücken.

Irland fürchtet Einnahmeverluste

hip London

Die irische Regierung fürchtet, zu den Verlierern einer globalen Mindestbesteuerung von Unternehmen zu gehören, wie sie von der G7 vorgeschlagen wird. Das Land lockt Firmen mit einem Körperschaftsteuersatz von 12,5 %. Der irische Finanzminister Paschal Donohoe sprach von 2,2 Mrd. Euro, die dem Fiskus künftig fehlen könnten. Das wäre mehr als ein Sechstel der jährlichen Körperschaftsteuereinnahmen, von denen mehr als vier Fünftel von multinationalen Konzernen wie Apple, Facebook oder Google stammen. Allerdings gehen die Schätzungen zu den möglichen Auswirkungen einer solchen Steuerreform wild durcheinander. Nach Berechnungen der EU-Steuerbeobachtungsstelle, eines unabhängigen Analysehauses, würde eine globale Mindeststeuer für Großkonzerne in Höhe von 15 % Irland 7,2 Mrd. Euro in die öffentlichen Kassen spülen (siehe Tabelle).

Reichlich Steueroptimierung

Realistisch prognostizierbar ist das alles kaum, denn sogenannte Tax Inversions, mit denen US-Unternehmen ihren Sitz ins Ausland verlegten, und andere Steueroptimierungsaktivitäten trieben jahrelang die Körperschaftsteuereinnahmen nach oben. Das bringt mitunter auch erfahrene Ökonomen ins Schwitzen: 2015 legte das Bruttoinlandsprodukt der Grünen Insel zur Überraschung der Volkswirte der irischen Zentralbank um mehr als ein Viertel zu (siehe Grafik). Weil zahlreiche US-Unternehmen aus steuerlichen Gründen ihren Firmensitz durch Übernahmen nach Irland verlegten, wurde das Land auf dem Papier zur am schnellsten wachsenden Volkswirtschaft der Welt. Das Medizintechnikunternehmen Medtronic verschaffte sich durch die Akquisition von Covidien einen attraktiveren Steuersitz. Die Flugzeugleasinggesellschaft Aercap Holdings verschob Anfang 2015 einen Großteil ihrer Assets von insgesamt 39 Mrd. Euro nach Irland. Apple verlagerte einen Teil ihrer geistigen Eigentumsrechte auf die Insel.

Donohoe argumentiert, kleine Länder, die über keinen großen Binnenmarkt verfügen, sollten die Möglichkeit haben, mit Hilfe eines niedrigen Körperschaftsteuersatzes Investitionen einzuwerben. Er habe das unter anderem im Gespräch mit US-Fi­nanzministerin Janet Yellen geltend gemacht. Irland hofft, dass sich weitere Länder seiner Argumentation anschließen. Doch großen Nationen ist an einem Ende des Steuerwettbewerbs gelegen, denn multinationale Konzerne ließen in der Vergangenheit kein Steuerschlupfloch ungenutzt. Irland will zumindest so lange Widerstand leisten, bis sich die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) auf einen Steuerdeal geeinigt hat. Innerhalb der EU zeichnet sich wenig Unterstützung für Irland ab. Paris forderte Dublin bereits zum Nachgeben auf.

Nun ist der Abstand zwischen dem irischen Körperschaftsteuersatz von 12,5 % und dem vorgeschlagenen Mindestsatz von 15 % nicht besonders groß. Schwerer wiegt ein anderer Aspekt der G7-Vorschläge: Viele multinationale Konzerne verkaufen ihre Produkte aus Irland in den Rest der Welt. Künftig könnten die Länder, in denen sie ihre Erzeugnisse absetzen, auf Grundlage ihres Umsatzes im jeweiligen Land Steuern erheben. Deshalb müssten die Firmen weniger Steuern in Irland bezahlen. Zudem wäre das Land als Standort nicht mehr so attraktiv, wenn in den jeweiligen Märkten zusätzliche Abgaben entrichtet werden müssten. Es könnte schwierig werden, Unternehmen der Pharmabranche, die sich aus steuerlichen Gründen für den Standort entschieden haben, in Irland zu halten. Möglicherweise verlegen US-Firmen dann Teile des Geschäfts zurück in die Vereinigten Staaten.

Donohue versuchte, Zukunftsängste dadurch zu beruhigen, dass die multinationalen Konzerne „in die physische Infrastruktur unseres Landes gut eingebettet“ seien. Apple sei seit Jahrzehnten im Land und gehöre zu den größten Arbeitgebern. Infrastruktur und eine gut ausgebildete Bevölkerung könnten schon bald wichtiger sein als Steuervorteile.

Die größten Profiteure
Schätzung der EU-Steuerbeobachtungsstelle
Landin Mrd. Euro
Belgien10,5
Irland 7,2
Deutschland 5,7
Frankreich 4,3
Luxemburg 4,1
Polen 3,7
Österreich 3,0
Italien 2,7
Finnland 1,7
Schweden 1,5
Niederlande 0,9
Börsen-Zeitung