Weltwirtschaft

IWF in Sorge wegen Rekordschulden

Im Kampf gegen die Coronakrise haben die Staaten weltweit ihre Verschuldung wie nie seit dem Zweiten Weltkrieg erhöht. Das birgt laut IWF große Risiken – gerade wenn die Notenbanken nun die Zinswende einläuten.

IWF in Sorge wegen Rekordschulden

ms Frankfurt

Der Internationale Währungsfonds (IWF) warnt vor Ri­si­ken des weltweiten Rekordschuldenbergs, wenn die Zentralbanken nun im Kampf gegen die hartnäckig hohe Inflation ihre Geldpolitik straffen. Dass die Notenbanken so agieren, hält der Fonds indes für angemessen, wie es in einem am Mittwoch veröffentlichten Blogbeitrag anlässlich des Updates von Daten zur globalen Verschuldung heißt. Laut den IWF-Daten hat die globale Verschuldung im Jahr 2020 den größten Anstieg binnen eines Jahres seit dem Zweiten Weltkrieg verzeichnet – um 28 Prozentpunkte auf 256% des globalen Bruttoinlandsprodukts (BIP) bzw. auf 226 Bill. Dollar. Die staatlichen Schulden machen laut IWF nun mehr als 40% davon aus.

„Der Schuldenanstieg verstärkt die Anfälligkeit, insbesondere wenn sich die Finanzierungsbedingungen verschärfen“, heißt es in dem Beitrag von unter anderem dem Leiter der IWF-Fiskalabteilung, Vitor Gaspar. „Hohe Schuldenstände schränken in den meisten Fällen die Fähigkeit der Regierungen ein, den Aufschwung zu unterstützen, und die Fähigkeit des Privatsektors, mittelfristig zu investieren.“ Die Politik stehe vor einem „schwierigen Balanceakt“ zwischen nötiger Flexibilität wegen der Unsicherheit durch die Corona-Pandemie und der Notwendigkeit mittelfristig solider Fiskalpolitik.

Die neuen Daten und die Warnung kommen just zu einer Zeit, da weltweit die Zinswende Fahrt aufnimmt. Insbesondere die US-Notenbank Fed steuert nun auf ein schnelleres Ende ihrer billionenschweren Anleihekäufe und raschere Zinserhöhungen zu. Begleitet wird der Kurswechsel von Sorgen, dass dieser die Wirtschaft und die Finanzmärkte schwer belasten könnte. Im besonderen Fokus steht dabei auch die Verschuldung. In den vergangenen Jahren hatten namhafte Ökonomen argumentiert, dass hohe Schulden in Zeiten niedriger Zinsen kein Problem mehr seien. Nun könnten die Zinsen aber wieder steigen.

Noch mehr als in den USA ist der Zusammenhang zwischen Zinsen und Verschuldung im Euroraum ein umstrittenes Thema. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat vor allem mit ihrem Corona-Notfallanleihekaufprogramm PEPP in Höhe von 1,85 Bill. Euro explizit auch darauf abgezielt, die Euro-Länder bei der Bewältigung der Krise zu unterstützen. Das hat ihr den Vorwurf der monetären Staatsfinanzierung eingebracht. Jetzt pochen zwar viele Euro-Hüter darauf, dass sie, wenn wegen der Inflation nötig, die Leitzinsen anheben werden. Speziell in Deutschland halten das viele aber wegen der potenziellen Folgen für hoch verschuldete Länder wie Italien für kaum glaubwürdig.

Laut den neuen IWF-Daten ging mehr als die Hälfte des Schuldenanstiegs im Jahr 2020 auf die Staaten zurück. Die öffentliche Schuldenquote kletterte demnach auf das Rekordniveau von 99% des BIP. Vor allem in den Industrieländern sei der Anstieg sehr stark gewesen, so der IWF. Für diese Gruppe liegt die Schuldenquote demnach nun bei 124%. Im Jahr 2007, vor Weltfinanz- und Coronakrise, waren es 70%.

Laut den IWF-Experten war die große Schuldenaufnahme angesichts der Corona-Pandemie notwendig. Dass sich Fiskal- und Geldpolitik in der Krise ergänzt hätten, habe geholfen. Das ändere sich aber jetzt. „Die Geldpolitik verlagert ihren Fokus nun angemessenerweise auf die steigende Inflation und die Inflationserwartungen“, so die Autoren.

„Wenn die Zinssätze steigen, muss die Fiskalpolitik angepasst werden, insbesondere in Ländern mit einer höheren Schuldenanfälligkeit“, mahnen Gaspar & Co. „Wie die Geschichte zeigt, verliert die fiskalische Unterstützung an Wirkung, wenn die Zinssätze reagieren.“ Höhere Ausgaben oder niedrigere Steuern hätten dann weniger Einfluss auf die Wirtschaftstätigkeit und die Beschäftigung und könnten den Inflationsdruck erhöhen. Die Sorgen um die Tragfähigkeit der Schulden dürften zunehmen, warnen die IWF-Experten.

Mehr Inflation sehen die Experten in jedem Fall nicht als Ausweg aus den Schulden: „Ein Anstieg der Inflation und des nominalen BIP trägt zwar in einigen Fällen zur Verringerung der Schuldenquoten bei, doch ist es unwahrscheinlich, dass dadurch ein signifikanter Schuldenrückgang erreicht wird.“

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