Konjunkturwolken verdüstern sich
Von Alexandra Baude, Frankfurt
Die Euro-Wirtschaft startet verhalten in das Schlussquartal. Noch schwächer präsentiert sich aber die deutsche Wirtschaft angesichts der Energiekrise. Dies zeigt sich auch im aktuellen Konjunkturtableau der Börsen-Zeitung und des Mannheimer Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). So wurden die Wachstumsprognosen für das Eurogebiet nur unwesentlich im Vergleich zur vorherigen Veröffentlichung im September verändert. Die Prognosen für die deutsche Wirtschaft für 2023 gehen hingegen sehr deutlich zurück, wie ZEW-Experte Michael Schröder erklärt. Und auch die Bundesregierung wird in ihrer Herbstprojektion, die Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Mittwoch vorstellen wird, die Voraussagen deutlich zurücknehmen, wie Reuters unter Verweis auf einen Insider berichtet.
Habeck wird für das laufende Jahr wohl eine Wachstumsrate des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 1,4% präsentieren und für 2023 ein Minus von 0,4%. In der Prognose vom April war die Bundesregierung noch von einem BIP-Plus von 2,2% für 2022 und von 2,5% für 2023 ausgegangen. Die wirtschaftlichen Auswirkungen des von der Bundesregierung geplanten 200-Mrd.-Euro-Abwehrschirms gegen hohe Energiekosten und Inflation sind dem Insider zufolge noch nicht berücksichtigt. Denn die Gaspreisbremse ist im Detail noch offen. Am Wochenende soll die von der Regierung eingesetzte Gaskommission Vorschläge erarbeiten, wie der Energiepreisanstieg für Verbraucher durch staatliche Subventionen zu dämpfen ist. Die Bundesregierung würde mit dieser Prognose exakt die Voraussagen des Gemeinschaftsgutachtens der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute übernehmen.
Dies deckt sich mit den Daten des Konjunkturtableaus: Während für das laufende Jahr unverändert ein BIP-Plus von 1,5% erwartet wird, prognostizieren die Experten für 2023 ein Minus von 0,4%. Im September waren es noch +1,3%. „Der zentrale Auslöser für den erwarteten Rückgang des deutschen BIP sind die erheblichen Probleme, die bei der Energieversorgung für Industrie und Privathaushalte speziell bei Gas befürchtet werden“, erklärt Schröder. Die für 2023 prognostizierte Rezession sei allerdings noch recht moderat und nicht mit den Werten von 2009 in der globalen Finanzkrise (−5,7%) und im ersten Coronajahr 2020 (−3,7%) vergleichbar.
Befürchtete Energieengpässe machen sich Schröder zufolge auch bei den Inflationsprognosen bemerkbar. Für Deutschland werden für 2022 nun 8,0 (zuvor: 7,4)% und für 2023 dann 5,0 (4,3)% erwartet. Die Bundesregierung wird wohl Preissteigerungen von 7,9% und 8,0% auf dem Zettel haben, berichtet Reuters. Sowohl die Bundesregierung als auch die Experten gehen damit von einer längerfristig hohen Inflationsrate in Deutschland aus.
Für das Eurogebiet sieht es ähnlich aus. Die aktuellen Prognosen für die Inflationsrate liegen im Konjunkturtableau bei 8,1 (7,7)% für 2022 und bei 5,5 (3,7)% für 2023. „Entsprechend diesen auch für 2023 prognostizierten hohen Preissteigerungsraten, die weit über der 2-%-Marke der EZB liegen, rechnen die Experten mit einer weiter verschärften Geldpolitik“, betont Schröder. Für 2022 wird ein Anstieg der Dreimonatszinsen auf 1,9 (zuvor: 1,0)% vermutet, 2023 sollen es 2,3 (1,6)% sein. Bei den langfristigen Zinsen soll es hingegen kaum weiter nach oben gehen. Als Folge werde „(implizit) eine flache oder sogar leicht inverse Zinsstrukturkurve prognostiziert, die mit den ernüchternden Wachstumsprognosen kompatibel ist“.
Konjunkturtableau | ||||||||||
1. Quartal | 2. Quartal | Prognose 2022 | Prognose 2023 | |||||||
2020 | 2021 | 2022 | 2022 | Tief | Median | Hoch | Tief | Median | Hoch | |
Volkswirtschaftliche Daten | ||||||||||
Bruttoinlandsprodukt 1 | −6,6 | 5,3 | 0,6 | 0,8 | 1,6 | 3,0 | 3,3 | −0,9 | 1,4 | 2,9 |
Privatkonsum 1 | −8,0 | 3,5 | −0,7 | 1,3 | 3,4 | 3,6 | 4,0 | −1,9 | 2,0 | 2,7 |
Staatskonsum 1 | 1,2 | 3,8 | −0,3 | 0,6 | 1,4 | 2,6 | 4,4 | −1,3 | 0,9 | 2,8 |
Anlageinvestitionen 1 | −8,3 | 4,3 | 0,1 | 0,9 | 0,0 | 2,4 | 3,1 | 0,0 | 3,1 | 4,4 |
Exporte 1 | −9,4 | 10,9 | 0,4 | 1,3 | 1,8 | 4,0 | 6,1 | 2,2 | 4,2 | 5,1 |
Importe 1 | −9,2 | 8,7 | −0,6 | 1,8 | 5,6 | 6,1 | 6,5 | 2,1 | 3,6 | 5,1 |
Letzter Wert | ||||||||||
Verbraucherpreise 2 | 0,3 | 3,1 | 10,0 (September) | 7,2 | 8,1 | 8,3 | 3,2 | 5,5 | 9,3 | |
Arbeitslosenquote 3 | 7,8 | 7,7 | 6,6 (August) | 5,3 | 6,7 | 6,8 | 5,4 | 6,9 | 7,5 | |
Zinsen und Zinsdifferenzen | In 3 Monaten | In 12 Monaten | ||||||||
3-Monats-Geld 3 | −0,43 | −0,55 | 1,2 | −0,3 | 1,9 | 2,5 | 1,1 | 2,3 | 3,1 | |
10-jährige Anleihen 3 | −0,51 | −0,37 | 2,02 | 1,1 | 1,8 | 3,1 | 1,4 | 2,1 | 3,4 | |
USA/Eurozone, langfristig 3,4 | 140 | 181 | 179 | 110 | 154 | 190 | 75 | 130 | 180 | |
USA/Eurozone, kurzfristig 3,4 | 108 | 71 | 258 | 180 | 245 | 300 | 140 | 180 | 230 | |
Eurozone, lang/kurz 3,4 | −8 | 18 | 82 | −30 | −10 | 200 | −140 | –20 | 120 | |
Redaktionsschluss: 6. Oktober, Tagesdaten vom 5. Oktober1) real gegen Vorjahr bzw. Vorquartal in %; 2) gegen Vorjahr in %; 3) Werte für 2020 und 2021 sind Jahresdurchschnitte, letzter Wert der Zinsen und Zinsdifferenzen sind Stände vom Vortag; 4) in Basispunkten |