Kukies sendet klare Botschaften an US-Regierung
„Meine Frau fährt ein amerikanisches Auto“
Von Angela Wefers, zzt. Washington
Noch bevor die Frühjahrstagung von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank so richtig für den geschäftsführenden deutschen Finanzminister Jörg Kukies (SPD) begonnen hatte, gab er in Washington einen verblüffend klaren Einblick in die Folgen scharfer Zollpolitik auf eine international verflochtenen Wirtschaft. „Meine Frau fährt ein amerikanisches Auto“, sagte Kukies der Moderatorin beim Semafor's World Economy Summit. Trump hatte wiederholt beklagt, dass es zu viele deutsche Autos in den Straßen New Yorks gebe. „Welche Marke?“, wollte die Moderatorin erfreut wissen. „BMW“, antwortete er. „Ein BMW – produziert in Spartanburg in South Carolina.“ Der bayerische Autohersteller unterhält dort sein weltweit größtes Werk. Der baden-württembergische Finanzminister fahre übrigens als Dienstwagen auch ein amerikanisches Auto, schob Kukies nach: einen Mercedes aus Chattanooga, Tennessee.
Zölle belasten System
Das Publikum beim Weltwirtschaftsgipfel der US-Newsplattform Semafor nahm es heiter. So einfach wie sich die Trump-Administration die Wirkung ihrer Zollpolitik vorstellt, ist sie eben nicht. BMW ist gemessen am Wert der größte Exporteur von Automobilen aus den USA, deklinierte der Minister durch. Es existierten keine rein amerikanischen oder rein deutschen Wertschöpfungskette in der verflochtenen globalen Wirtschaft. Vielmehr produzierten deutsche Autobauer verschiedene Modell in unterschiedlichen Werken in Deutschland, den USA, Mexiko oder China und exportierten sie von dort aus in die gesamte Welt. Es sei ganz normal, durch Skaleneffekte Kostenvorteile zu erzielen. Zölle machten das System nur weniger effizient. Die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber China werde am Ende sinken und sich nicht verbessern, schloss Kukies den Kreis seiner ökonomischen Schlussfolgerungen. Dabei soll die trumpsche Zollpolitik gerade die Rolle der USA als Nummer 1 in der Welt gegenüber China festigen – also America First.
Europas Problemkatalog
Der deutsche Minister sandte noch einige andere klare Botschaften an das amerikanische Publikum. Die Zollverhandlungen führe zu 100% Brüssel. Ja, Europa spreche mit einer Stimme. Und nein, die Mitgliedsländer würden sich nicht auseinanderdividieren lassen. Dass ein Dealmaker in Washington darauf womöglich hofft, sprach Kukies nicht aus. Zwar gebe es Unterschiede in den Interessenlagen in Europa, aber das gebe es in den US-Staaten schließlich auch. Für Dealmaker hielt er noch eine weitere Botschaft bereit. Viele Wirtschaftsführer und CEOs mahnten derzeit dazu, Unsicherheit zu reduzieren. Welche Übereinkunft es in den Zollverhandlungen geben könne, wisse er nicht, konstatierte der Minister. „Aber je länger wir auf eine Vereinbarung warten, desto mehr Unsicherheit haben wir.“
Zugleich räumte Kukies ein, dass Europa weniger uniform sei als die USA und noch mehr zusammenfinden müsse. Der Binnenmarkt müsse vertieft werden. Für Güter sei der gut, für Dienstleistungen schrecklich. Er nannte beispielhaft als Aufgabe die Kapitalmarktunion, die Harmonisierung von Insolvenzrecht oder von Rechtsberatung. Die Themen seien bekannt, Europa müsse endlich handeln. „Wir müssen unsere Probleme dringend lösen“, unterstrich Kukies und verwies auf mehrschichtige Ursachen für die Schwäche Deutschlands: die Abhängigkeit von günstiger Energie aus Russland, vom Sicherheitsversprechen der USA und von Exporten nach China.
Risiken für die Finanzstabilität
Bis zum 26. April treffen sich in Washington Finanzminister, Notenbankgouverneure und Entwicklungsminister zur Frühjahrstagung von IWF und Weltbank. Die Belastungen der Weltwirtschaft durch die von der Trump-Administration angekündigten Zölle steht im Fokus der Tagung. Der IWF hatte die globalen Wachstumsprognosen deutlich zurückgenommen. Auch die Stabilität der Finanzmärkte, die erratisch auf Ankündigungen und Widerrufe aus dem Weißen Haus reagieren, ist durch die US-Zollpolitik belastet.
Deutschland ist in Washington neben Kukies durch Bundesbankpräsident Joachim Nagel sowie Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) vertreten. Am Rande der Frühjahrstagung treffen sich auch traditionell die Finanzminister und Notenbankgouverneure der G7, der Gruppe der Industrieländer aus USA, Kanada, Japan, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien, sowie der um Schwellenländer erweiterten G20. Auch dort ist die Gesprächsatmosphäre durch den Zollstreit belastet.
Sorgen um Weltbank
Unklar ist, wie sich die USA zu den Finanzinstitutionen IWF und Weltbank verhalten, nachdem die Trump-Administration Gelder für eine Reihe von internationalen Organisationen gestrichen hat. Die Trump-nahe Heritage Foundation hatte dies im „Project 2025“ für das Regierungsprogramm nahegelegt. Bis August will sich die Regierung mit Entscheidungen Zeit lassen. Bei IWF und Weltbank sind die USA größter Anteilseigner. Während der IWF mit seinem stabilisierenden Einfluss auf die Finanzmärkte weniger gefährdet sein dürfte, könnte die Weltbank eher betroffen sein. Zuletzt hatte Bundesbankpräsident Nagel in einem Gastbeitrag in der Börsen-Zeitung die Rolle des IWF als Eckpfeiler im globalen Währungs- und Finanzsystem unterstrichen.
Finanzminister Kukies verdeutlicht in Washington die negativen Folgen von Trumps Zollpolitik
auf die global verflochtene Wirtschaft.