Lagarde besorgt über Protektionismus und Cyberattacken
Lagarde besorgt über Protektionismus
Handelsbarrieren könnten für Wirtschaftswachstum benötigte Investitionen verhindern – Appell an Fiskalpolitik
EZB-Präsidentin Christine Lagarde beobachtet den zunehmenden Protektionismus mit Sorge. Dennoch zeigt sie sich in Sintra optimistisch bezüglich der Inflationsentwicklung. Grund zur Eile habe die EZB mit einer Zinssenkung dennoch nicht. Eine ähnliche Botschaft hat Fed-Chef Jerome Powell in Portugal im Gepäck.
mpi zzt. Sintra
EZB-Präsidentin Christine Lagarde betrachtet die zunehmende Fragmentierung im Welthandel aus politischen Gründen mit Sorge. In den vergangenen beiden Jahren habe es 3.000 Handelshürden weltweit gegeben, sagte Lagarde auf der EZB-Konferenz in Sintra. Das sei rund fünfmal so viel wie im langjährigen Durchschnitt. Der zunehmende Protektionismus könnte die Inflation in der Eurozone erhöhen, aber auch Innovationen erschweren.
„Das ist ein Grund zur Sorge“, sagte Lagarde. Investitionen und Innovationen im Bereich von Zukunftstechnologien wie der KI oder in Technologien, die für die grüne Transformation der Wirtschaft wichtig sind, seien zentral für Europa, damit es auch in Zukunft wirtschaftlich stark bleibe. Daher äußerte Lagarde in Sintra auch die Hoffnung, dass die Fiskalpolitik in Europa diese Entwicklung unterstütze.
US-Notenbankchef Jerome Powell wollte sich auf dem Panel in Sintra nicht dezidiert zu Handelsbarrieren äußern. Handelspolitik liege nicht im Einflussbereich der Fed, auch wenn es die Inflation beeinflusse. Auch zur Fiskalpolitik der USA hielt er sich relativ bedeckt.
Sorgen über Fiskalpolitik
„Fiskalpolitik ist die Aufgabe von gewählten Leuten“, sagte Powell. Einen Kommentar zu der hohen Staatsverschuldung in den USA gab Powell am Ende dann aber doch ab. „Die Höhe der Staatsverschuldung ist nachhaltig. Die Entwicklung der Staatsverschuldung ist es nicht.“ Er hoffe daher, dass die USA zu einer weniger expansiven Haushaltspolitik zurückkehrten.
Auf Nachfrage der Moderatorin, was die größte Gefahr für die wirtschaftliche Entwicklung ist, nannten Lagarde und Powell einhellig Cyberattacken. Beim Umgang mit diesen Risiken brauche es noch mehr Übung und Prävention.
Inflationsprognosen von Lagarde und Powell
Die Inflation im Euroraum in einem Jahr schätzt Lagarde auf „im niedrigen zweistelligen Bereich“. Das deckt sich mit den Projektionen der Notenbank zur Inflation. Die Ökonomen der EZB gingen in ihrer Vorhersage im Juni davon aus, dass die Inflation erst im Laufe des zweiten Halbjahres 2025 nachhaltig auf den Zielwert von 2% fällt.
Ein wenig pessimistischer bezüglich der Inflation äußerte sich Powell. Er erwartet in einem Jahr eine Inflation in den USA im Bereich von 2 bis 2,5%. Er betonte, dass er Fortschritte bei der Disinflation sehe. „Die Daten zeigen, dass sich die Disinflation fortsetzte“, sagte er. Es brauche jedoch noch mehr Sicherheit, dass dieser Prozess auch nachhaltig ist, bevor es Zinssenkungen geben könne – außer, der Arbeitsmarkt schwäche sich deutlich ab.
Daten des US-Arbeitsministeriums vom Dienstag deuten darauf nicht hin. Bis Ende Mai gab es mehr offene Stellen, als Volkswirte erwartet hatten. Anstelle einer Seitwärtsbewegung legte die Zahl der offenen Stellen von 7,92 Millionen auf 8,14 Millionen zu. Aufgrund der Stärke des Arbeitsmarkts könne sich die Fed Zeit lassen mit einer Zinssenkung, bis sie genügend Zuversicht habe, dass die Inflation nachhaltig in die richtige Richtung geht, sagte Powell.
Keine Eile bei Zinssenkungen
Auch Lagarde verwies in Sintra darauf, dass die Notenbank noch mehr Daten brauche. Sie zielte dabei auf die Entwicklung der Löhne und der Profitmargen der Unternehmen ab. Die Dienstleistungsinflation stagnierte im Juni bei 4,1%. Im Monatsvergleich gab es gar einen Anstieg um 0,6%. Die hohe Teuerung hier ist auf das starke Lohnplus zurückzuführen.
Die EZB braucht einen Rückgang der Dienstleistungsinflation, damit die Inflationsrate nachhaltig auf 2% fallen kann. Lagarde betonte jedoch, dass die EZB keine Dienstleistungsinflation von 2,0% brauche, da die Inflation bei Industriegütern niedrig sei.
EZB-Räte melden sich zu Wort
Am Rand der Sintra-Konferenz äußerten sich mehrere EZB-Ratsmitglieder zur möglichen Geldpolitik der Notenbank in den kommenden Monaten. „Die neusten Inflationsdaten bestätigen, dass unsere Projektion richtig war“, sagte Portugals Notenbankchef Mário Centeno. „Und da unser Vertrauen in die Prognose steigt, denke ich, dass wir besonnen von Sitzung zu Sitzung entscheiden können.“
Eine Zinssenkung bereits in rund zwei Wochen halten die allermeisten Analysten für ausgeschlossen. Stattdessen rückt der September in den Fokus für einen weiteren Zinsschritt – auch beim belgischen Notenbankchef Pierre Wunsch. Eine zweite Zinssenkung sei jetzt nicht dringend erforderlich, sagte Wunsch. Die Währungshüter könnten damit bis zu den September-Projektionen warten. „Es ist wahrscheinlich von Vorteil, auf eine Sitzung mit Projektionen zu warten, ich würde das aber nicht zur Bedingung
machen.“
Bericht zur Euro-Inflation im Juni