Wirtschaftsstandort Frankreich

„Marktreaktionen scheinen etwas übertrieben“

Amundi-CIO Vincent Mortier spricht über die verschiedenen Szenarien der Neuwahlen in Frankreich. Für am riskantesten für Investoren hält er einen Wahlsieg des Linksblocks unter Führung der Linksextremen.

„Marktreaktionen scheinen etwas übertrieben“

Amundi hält Sorgen vor Wahl in Frankreich für überzogen

CIO Mortier erwartet volatilen CAC 40 und keine Ausweitung der Anleihe-Spreads

wü Paris
Kommentar Seite 2 Gespräch Seite 8

Die anstehenden Parlamentswahlen und das starke Abschneiden des rechtsextremen Rassemblement National (RN) bei den Europawahlen schüren bei ausländischen Investoren Sorgen, wie es mit Frankreich als Wirtschaftsstandort innerhalb Europas weitergeht. Die Marktreaktionen in den Tagen nach der Ankündigung Macrons scheinen etwas übertrieben, findet Amundi-Chief-Investment-Officer Vincent Mortier. Er hält einen möglichen Wahlsieg des rechtsextremen RN-Blocks ökonomisch zudem für weniger gefährlich als einen Wahlsieg des linken Blocks, der sich neu gebildet hat. Das sei, so Mortier im Gespräch mit der Börsen-Zeitung, „der riskantere Ausgang der Wahlen“. 

Das linke Lager, das sich „Neue Volksfront“ nennt, besteht neben der linksextremen Partei La France Insoumise (LFI) noch aus Sozialisten, Kommunisten und Grünen. Nach einer aktuellen Umfrage liegt der RN mit 34% zwar klar in Führung, an zweiter Stelle rangiert aber schon die Volksfront mit 22%. Das von Präsident Emmanuel Macron angeführte zentristische Bündnis kommt abgeschlagen mit 19% nur auf den dritten Platz.

„Investoren aus den USA und Asien hören aktuell von möglichen Risiken und verkaufen lieber“, sagt Mortier. Diese Unbeständigkeit werde bis zur ersten Wahlrunde am 30. Juni anhalten, vielleicht sogar bis zur zweiten am 7. Juli bei der Stichwahl. Welches Szenario für den Wahlausgang aber auch eintrete, er erwarte bis zum Ende der Amtszeit von Macron keine wichtigen politischen Entscheidungen mehr.

CAC 40 nicht weit vom fairen Preis

Mortier geht davon aus, dass sich der Spread zwischen deutschen und französischen Staatsanleihen jetzt nicht weiter ausweiten wird. Das meiste sei „schon eingepreist“, erklärt er. Französische Aktien hätten sich seit der Ankündigung der Neuwahlen rund 5% schlechter als der Dax entwickelt. Vor allem Banken und Energieversorger sind unter Druck geraten, aber auch TV-Anbieter.

Wie sich der CAC 40 jetzt entwickeln wird, hängt nach Ansicht des Amundi-CIO auch davon ab, was sonst in der Welt passiert. „Wir sind derzeit nicht weit von einem Preis entfernt, der fair scheint und den ich bei 7.500 Punkten sehe“, erklärt er. „Wenn es zu Einbrüchen bei amerikanischen Aktien kommen sollte, könnten europäische Aktien, vor allem der CAC 40, 5% bis 10% runtergehen. Aber ich sehe nicht, warum sich der französische Markt langfristig schlechter als der paneuropäische entwickeln sollte.“ Mortier: „Außer im disruptivsten und unwahrscheinlichsten Szenario mit einer Mehrheit für die linke Neue Volksfront sehe ich keinen Grund, warum sich an der Attraktivität etwas ändert“, meint Mortier.

Lesen sie hier das ganze Gespräch mit Vincent Mortier.

Kommentar zur Reaktion der Bondanleger auf den möglichen Rechtsruck in Frankreich.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.