Nagel warnt vor eskalierenden Handelskonflikten
Nagel warnt vor Handels-Eskalation
Geopolitische Spannungen dürften Geldpolitik beeinflussen – Gefahren für die Inflation
Seit einigen Jahren steigt die Fragmentierung im Welthandel. Donald Trumps Handelspolitik könnte laut Bundesbankpräsident Joachim Nagel sogar zu einem „Wendepunkt für das internationale Handelssystem“ werden. Mit Folgen für die Inflation und das Wirtschaftswachstum in Europa. Die EZB müsste darauf reagieren.
mpi Frankfurt
Bundesbankpräsident Joachim Nagel befürchtet einen „Wendepunkt für das internationale Handelssystem“, sollte die künftige US-Regierung unter Donald Trump ihre kolportierten Pläne bezüglich Strafzöllen insbesondere gegenüber China umsetzen. „Die ersten Anzeichen einer geoökonomischen Fragmentierung werden immer deutlicher – und leider stehen wir möglicherweise kurz vor einer erheblichen Eskalation“, sagte Nagel am Montag in einer Rede in der Universität Tokio.
Eine solche Fragmentierung könnte erhebliche negative Konsequenzen für das Wirtschaftswachstum in Europa und Deutschland haben. Davor warnte am Montag auch EZB-Vizepräsident Luis de Guindos auf der Euro Finance Week in Frankfurt. „Die Wachstumsaussichten werden durch die Unsicherheit hinsichtlich der Wirtschaftspolitik und der geopolitischen Landschaft eingetrübt, sowohl im Euroraum als auch weltweit“, sagte der Spanier.
Eine geringere wirtschaftliche Aktivität spricht für sich genommen für einen niedrigeren Inflationsdruck. Denn bei einer schlecht laufenden Konjunktur fallen Konsum und Investitionen niedriger aus. Die geringere Nachfrage reduziert wiederum für Unternehmen den Spielraum für Preiserhöhungen.
Effizienz geht verloren
Nichtsdestotrotz erwartet Nagel, dass Trumps Handelspolitik unter dem Strich die Inflation im Euroraum erhöhen dürfte. Denn durch eine Fragmentierung im Welthandel würden komparative Kostenvorteile verloren gehen, die durch die Globalisierung entstanden sind. Produktivere Unternehmen, die deshalb günstigere Preise anbieten können, würden durch die geopolitischen Spannungen den Zugang zu manchen Märkten verlieren. An ihrer Stelle treten dann weniger effiziente Firmen, die höhere Preise für ihre Waren und Dienstleistungen verlangen.
„Letztlich würde eine spürbare Verringerung der globalen Integration für das Eurosystem bedeuten, dass es die Zinssätze erhöhen müsste, um die Inflation in Schach zu halten“, sagte Nagel, der damit ins Spiel bringt, dass das Zinsniveau im Euroraum 2025 höher sein könnte, als die Finanzmärkte aktuell erwarten.
Höhere Volatilität bei der Inflation
Zudem dürfte eine zunehmende Fragmentierung die Volatilität bei der Inflation erhöhen. „Falls wir in Zukunft mehr Schwankungen bei der Inflation sehen, könnte es sogar noch wichtiger werden, eine starke Entschlossenheit zu zeigen, unser Preisstabilitätsziel zu erreichen und die Inflationserwartungen zu stabilisieren“, sagte Nagel. Diese Entschlossenheit könnte sich ebenfalls in einer restriktiveren Geldpolitik widerspiegeln.
Trotz all der negativen Konsequenzen, die Nagel ausmacht, sollte Donald Trump seine Zollpläne umsetzen, sieht der Bundesbankpräsident die EZB gut gewappnet, um ihr Inflationsziel zu erreichen. „Wir können und werden tun, was notwendig ist, um die Preisstabilität zu gewährleisten“, sagte er.
Niedrigere Inflation, aber auch weniger Wirtschaftswachstum
Ebenfalls am Montag setzte sich EZB-Chefvolkswirt Philip Lane auf einer Konferenz in Rom mit dem Inflationsanstieg der vergangenen Jahre auseinander. Die Modelle der EZB hatten diesen lange Zeit unterschätzt. In der Folge erhöhte die Notenbank erst sehr spät die Zinsen, um die Teuerung wieder zu dämpfen.
Hätten die Modelle der EZB das Ausmaß und vor allem die Persistenz der Inflation nicht unterschätzt, hätten diese Modelle frühere und aggressivere Zinserhöhungen nahegelegt – mit spürbaren Folgen für die Inflation, aber auch das Wirtschaftswachstum. Wie Lane in seinem Vortrag ausführte, hätte die Inflation im vierten Quartal 2022 dann wohl nicht bei über 10%, sondern bei etwa 8% gelegen. „Diese Straffung wäre jedoch mit hohen volkswirtschaftlichen Kosten verbunden gewesen, sodass das Wachstum gegenüber dem Vorquartal je nach Modell um 1 bis 2 Prozentpunkte niedriger ausgefallen wäre.“
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