US-Konjunktur

Rezessionsängste setzen Fed unter Zugzwang

In den USA wachsen nach den schwachen Arbeitsmarktdaten die Sorgen, dass die Wirtschaft in eine Rezession abgleiten könnte. Für die Fed stellt sich die Frage, wie oft und in welchem Umfang sie den Leitzins senken soll.

Rezessionsängste setzen Fed unter Zugzwang

US-Rezessionsängste setzen Fed unter Zugzwang

Wachsende Kritik an restriktiver Geldpolitik – Experten erwarten bis zum Jahresende mehrere Zinssenkungen

det Washington

Lange Zeit hatte als sicher gegolten, dass die US-Wirtschaft vor einer weichen Landung stehen wird. Nach dem unerwartet schwachen Arbeitsmarktbericht für Juli wächst nun aber die Angst vor einer möglichen Rezession. Analysten rechnen folglich damit, dass die Notenbank nicht nur im September die erste Zinssenkung seit viereinhalb Jahren beschließen wird. Das FedWatch Tool der CME Group unterstellt mittlerweile mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit, dass der Offenmarktausschuss (FOMC) in sechs Wochen die Zielzone für den Tagesgeldsatz um 50 Basispunkte heruntersetzen wird. Auch gehen Ökonomen davon aus, dass die Fed bis zum Ende des Jahres den Geldhahn deutlich stärker aufdrehen könnte als bisher angenommen.

Wechselbad der Gefühle

Das Wechselbad der Gefühle an den Märkten und unter Experten dauert mittlerweile seit über einem halben Jahr an. Mit einer annualisierte Wachstumsrate von 1,4% im ersten Quartal war die Wirtschaft relativ schwach ins neue Jahr gestartet. Unter Ökonomen machte sich die Sorge breit, dass die restriktive Zinspolitik der Fed das Wachstum abwürgen könnte. Dann aber schürten die nachlassende Inflation und das solide Wachstum einen verhaltenen Konjunkturoptimismus. So legte die aufs Jahr hochgerechnete Wirtschaftsleistung von April bis Juni um 2,8% zu. Unterdessen lag im Juni die Kernrate des PCE-Preisindex, das bevorzugte Inflationsmaß der Währungshüter, mit 2,6% nur noch um 0,6  Prozentpunkte über dem Inflationsziel der Fed.

Vergangene Woche aber verpassten zwei Berichte zum Jobmarkt den Konjunkturaussichten einen Dämpfer. So meldete der Arbeitsmarktdienstleister Automatic Data Processing (ADP) für Juli nur 122.000 Neueinstellungen im Privatsektor. Erwartet hatten Bankvolkswirte ein Plus von mindestens 150.000. Für einen regelrechten Schock sorgte dann das Arbeitsministerium. Dessen Bericht sprach von nur 114.000 neuen Jobs außerhalb der Landwirtschaft. Auch stieg die Arbeitslosenquote von 4,1% auf 4,3%. Die Quote erreichte damit den höchsten Stand seit Oktober 2021. 

Vorboten einer Rezession

Der Nationalökonom und Nobelpreisträger Paul Krugman sagte in einem Kommentar in der New York Times, dass die Wirtschaft nun „pre-recessionary“ sei. Die Konjunktur signalisiere also, dass sie vor einer Rezession steht. Verhindern ließe sich diese aller Voraussicht nach nur deswegen, weil die höhere Arbeitslosenquote auch technische Gründe habe, so Krugman.

Einen weiteren Hinweis auf einen eventuellen Einbruch liefert die nach der Nationalökonomin Claudia Sahm benannte Regel. Demnach bedeutet ein Anstieg der Arbeitslosenquote um 0,5 Prozentpunkte innerhalb von 6 Monaten, dass die Wirtschaft in eine Rezession abgleitet wird. Seit Januar legte die Arbeitslosenquote in den USA gar um 0,6 Prozentpunkte zu. Zwar glauben nicht alle Analysten, dass die jüngsten Daten Vorboten eines Einbruchs sein müssen. Einig sind sich aber die meisten darüber, dass die Notenbank mit der Zinswende zu lange gewartet hat. 

Kritik an der Fed

Einige Ökonomen verweisen dabei auf die sogenannte „Taylor Regel“ aus dem Jahr 1993 hin. Demnach würde ein Leitzins, der um 2 Prozentpunkte über der jährlichen Inflationsrate liegt, die Voraussetzungen für die Erreichung des Potenzialwachstums schaffen. Nach dieser Regel liegt der Leitzins der Fed um 170 Basispunkte zu hoch.

Folglich lautet nun die Preisfrage: Wie oft und im welchem Umfang werden die Währungshüter bis zum Jahresende die geldpolitischen Zügel lockern? Austan Goolsbee, Präsident der Federal Reserve Bank von Chicago, signalisierte Zurückhaltung seitens der Fed. „Wir würden niemals auf die Zahlen aus einem einzigen Monat überreagieren wollen“, sagte Goolsbee.

Positive Konjunkturdaten zum Wochenstart

Gleichwohl meinen viele Experten, dass die Notenbank nun unter Zugzwang steht. „Das war ein unzweideutig schwacher Arbeitsmarktbericht“, sagt Enrique Diaz-Alvarez, Chief Financial Risk Officer bei dem Finanzdienstleistungsunternehmen Ebury. Er weist neben dem geringen Stellenwachstum und der Arbeitslosenquote auf die Löhne hin, die im Juli auf Jahressicht nur um 3,6% zulegten. Diaz-Alvarez rechnet folglich damit, dass das FOMC bis Ende 2024 den Leitzins um insgesamt 125 Basispunkte senken wird.

Neue Konjunkturdaten zum Wochenstart dämpfen die Rezessionssorgen zumindest etwas. Die Stimmung unter US-Dienstleistern hat sich im Juli unerwartet deutlich aufgehellt.  Der Einkaufsmanagerindex des Instituts for Supply Management (ISM) stieg zum Vormonat um 2,6 Punkte auf 51,4 Punkte.

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