Kreditaufnahme

Schulden im Euroraum steigen 2023 auf kritisches Niveau

Coronakrise und Ukraine-Krieg haben die Staatsfinanzen im Euroraum stark belastet. Und auch 2023 werden die Schuldenstände weiter wachsen, erwartet die DZ Bank. Auch die Ratingagentur S&P sieht schwarz für den Schuldenabbau in diesem Jahr.

Schulden im Euroraum steigen 2023 auf kritisches Niveau

ast Frankfurt

Die Corona-Pandemie und die Folgen des Ukraine-Kriegs belasten die Haushalte der EU-Staaten immer stärker. Zu diesem Ergebnis kommen die Ratingagentur S&P und die DZ Bank in aktuellen Studien. Durch die umfassenden Krisen-Hilfsmaßnahmen haben die Euro-Staaten rekordhohe Schulden angehäuft. Nachdem die Haushalte bereits in der Pandemie belastet wurden, sorgten die Energie- und Strompreishilfen verschiedener europäischer Regierungen für neue Schulden. Angesichts der steigenden Leitzinsen werden die hohen Schuldenstände zunehmend zum Risiko.

Michael Holstein, Chefvolkswirt der DZ Bank, sieht die Staatsfinanzen im gemeinsamen Währungsraum „in kritischer Lage“. Das öffentliche Defizit sei von 2019 auf 2020 von 0,6% auf 7,0% „geradezu explodiert“. 2021 und 2022 erfolgte nur eine langsame Rückbildung auf 3,5%. Die Regeln des Maastricht-Vertrages, die den jährlichen Saldo auf 3% und den Schuldenstand auf 60% begrenzen, wurden aufgrund der Krisen außer Kraft gesetzt. Das kommt mehreren Ländern gelegen, die einen oder beide Grenzwerte wohl auch im laufenden Jahr überschreiten werden (siehe Grafik). Der Prognose der EU-Kommission zufolge werden 2023 12 der 20 Euro-Länder höhere Defizite als 3% aufweisen.

Auch im internationalen Vergleich steht der Euro-Währungsraum nicht gut da. Laut der Ratingagentur S&P wird die Kreditaufnahme durch Staaten insgesamt in diesem Jahr 10,5 Bill. Dollar erreichen – und damit fast 40% über dem historischen Durchschnitt von vor der Pandemie liegen. S&P hat zudem die staatliche Kreditaufnahme in 30 europäischen Industrieländern untersucht. Der Analyse zufolge werden in diesem Jahr rund 1,75 Bill. Dollar an langfristigen Schulden hinzukommen. Damit verzeichnet die Region den stärksten Anstieg der Kreditaufnahme bei stagnierendem Wachstum und einem wachsenden Haushaltsdruck – der unter anderem durch die hohen Energiekosten verursacht wird.

Die Analysten gehen zudem davon aus, dass eine längerfristig straffe Geldpolitik – wie sie derzeit absehbar ist – die Kreditkosten für die Staaten weltweit auf dem höchsten Niveau seit mehr als zehn Jahren halten dürfte, die Schuldenaufnahme sich aber nicht verlangsamen wird. Angesichts der steigenden Schuldenkosten ergibt sich für die S&P-Analytiker ein wachsendes Kreditrisiko – insbesondere auch für Schwellenländer außerhalb Europas.

Die Finanzminister der Euro-Staaten wollen am kommenden Dienstag jedoch über die Wiedereinsetzung der Maastricht-Regeln ab 2024 beraten. „Das ist im Hinblick auf die Stabilität der Staatsfinanzen auch dringend nötig, setzt einige Euro-Staaten jedoch erheblich unter Druck“, sagt Holstein. Die Zinswende, die die Schulden teurer macht, und ein erhöhter Ausgabenbedarf aufgrund der Energiekrise haben nach seiner Ansicht eine Konsolidierung der Staatsfinanzen in vielen Ländern verhindert. „Die kritische Lage der öffentlichen Finanzen in einigen der Euro-Länder schafft nicht zuletzt für die EZB bei ihren geldpolitischen Entscheidungen ein schwieriges Umfeld“, resümiert Holstein.