Schwieriges Ausbalancieren von Risiken für die EZB
Schwieriges Ausbalancieren von Risiken
Deka-EZB-Zinskompass: Mittelfristige Geldpolitik herausfordernd – Konjunktur schwach, Inflationsgefahren noch nicht vorbei
Eine Zinssenkung der EZB um 25 Basispunkte bei ihrer anstehenden Sitzung am Donnerstag gilt als gesichert. Die mittelfristige Geldpolitik dürfte im EZB-Rat jedoch umstrittener sein. Die Konjunktur im Euroraum schwächelt, die Inflationsrisiken sind noch nicht komplett überwunden, wie der Zinskompass der Deka zeigt.
mpi Frankfurt
Wenn sich die EZB-Ratsmitglieder in dieser Woche für ihre nächste Zinsentscheidung in Frankfurt treffen, dürfte der Blick der Währungshüter weit über den September hinausreichen. Eine Zinssenkung um 25 Basispunkte am Donnerstag gilt trotz aller öffentlicher Beteuerung, dass man sich nicht vorab festlege, als gesichert. Alles andere würde Unruhe an den Finanzmärkten auslösen.
Die Anleger wiederum spekulieren inzwischen verstärkt darauf, dass die EZB angesichts der schwachen Euro-Konjunktur im Oktober bereits die nächste Lockerung der Geldpolitik folgen lassen könnte. Die Konjunktursäule des EZB-Kompasses, der stets vor einer Zinssitzung exklusiv in der Börsen-Zeitung erscheint, deutet auf ein allenfalls unterdurchschnittliches Wirtschaftswachstum hin.
Zweifel an wirtschaftlicher Erholung wachsen
Mit Spannung warten Beobachter darauf, wie die neuen Projektionen der EZB zu Wirtschaftswachstum und Inflation ausfallen werden. Die EZB stützt ihre bisherige Vorhersage eines anziehenden Wirtschaftswachstums ab der zweiten Jahreshälfte darauf, dass sich die Exporte und der private Konsum deutlich erholen dürften. „An beiden Annahmen kommen unter den Mitgliedern des EZB-Rats aber zunehmende Zweifel auf“, sagt Kristian Tödtmann, Leiter Geldpolitik und Kapitalmärkte bei der DekaBank.
Vielmehr würden einige Ratsmitglieder inzwischen davon ausgehen, dass die Wachstumsschwäche zu größeren Teilen strukturellen Problemen geschuldet ist und damit einem Verlust der internationalen Wettbewerbsfähigkeit. „Passend dazu argumentierten Volkswirte der EZB Anfang September in einem Blog-Beitrag, dass auf den Exportmärkten der Eurozone der Wettbewerbsdruck durch chinesische Unternehmen massiv zugenommen habe“, sagt Tödtmann.
Weniger Preisdruck im Euroraum aufgrund der schwachen Nachfrage der Unternehmen und Privatpersonen spricht für einige Ökonomen und Notenbanker dafür, das Tempo der geldpolitischen Lockerung zu beschleunigen. Damit ist gemeint, dass die EZB nicht, wie zwischenzeitlich in Aussicht gestellt, einmal pro Quartal eventuell lockern könnte, sondern bereits im Oktober ein weiteres Mal.
Inflationsrisiken bleiben bestehen
„Die erhöhten Werte der Inflationssäule des EZB-Kompasses sind das wichtigste Argument, bei der Lockerung der Geldpolitik vorsichtig zu sein“, wirft Tödtmann ein. Zwar sei der Disinflationstrend intakt. Es gebe aber durchaus einige Aufwärtsrisiken für die Teuerung. Dazu zählt der Volkswirt die nach wie vor sehr hohe Dienstleistungsinflation. Im August war sie mit 4,2% auf den höchsten Stand seit Oktober 2023 geklettert. Ohne einen deutlichen Rückgang in diesem Bereich wird es der EZB schwerfallen, ihr Ziel für die Gesamtrate der Inflation nachhaltig zu erreichen.
Indikatoren für den Inflationsausblick entwickelten sich zuletzt uneinheitlich. Die Produktivität ließ im zweiten Quartal erneut nach. Die Stückgewinne sind gesunken, was zum Ausdruck bringt, dass die Unternehmen einen Teil der höheren Lohnkosten nicht auf ihre Absatzpreise überwälzt haben. Jedoch waren die EZB-Volkswirte in ihren Berechnungen im Juni von einem noch etwas stärkeren Rückgang der Gewinnmargen ausgegangen.
Uneinheitliche Zinssenkungen
All diese Zahlen kommen zu spät, als dass der Mitarbeiterstab der EZB sie noch in seinen Projektionen für die bevorstehende Ratssitzung berücksichtigen dürfte, meint Tödtmann. „Jedoch dürften sie den Notenbankern eine größere Zuversicht vermitteln, dass die Inflation im Verlauf des kommenden Jahres auf 2% abnehmen wird.“ Ein Signal von EZB-Präsidentin Christine Lagarde, ob im Oktober eine Zinssenkung anstehen könnte oder nicht, erwartet er jedoch nicht. Sie werde betonen, dass die EZB von Sitzung zu Sitzung entscheide, und die Märkte damit vorerst im Dunkeln lassen.
Mehr Klarheit herrscht darüber, dass sich die Leitzinsen der EZB unabhängig von der Entscheidung am Donnerstag verändern werden. Der Abstand zwischen dem Einlagensatz und dem Hauptrefinanzierungssatz wird von 50 auf 15 Basispunkte gesenkt. Das hatte die Notenbank bereits im März beschlossen. Der Abstand zwischen Hauptrefinanzierungssatz und Spitzenrefinanzierungssatz bleibt bei 25 Basispunkten.
Bei einer erwarteten Zinssenkung des Einlagensatzes um 25 Basispunkte würden die anderen beiden Zinssätze also um 60 Basispunkte fallen. Für die Restriktivität der Geldpolitik ist seit 2014 der Einlagensatz der entscheidende. Das liegt daran, dass im Bankensystem seitdem eine Überschussliquidität vorliegt. Diese Anpassungen führen also nicht zu einer deutlichen Lockerung der Geldpolitik.