SPD erhöht Druck für Einführung eines Industriestrompreises
Die SPD-Bundestagsfraktion hat in Abwesenheit von Kanzler Olaf Scholz ihr Konzept für einen staatlich subventionierten Industriestrompreis beschlossen. Er soll zunächst auf fünf Jahre befristet sein, 5 Cent pro Kilowattstunde betragen und für die besonders von hohen Energiekosten betroffenen Unternehmen gelten. Die Differenz zum durchschnittlichen Börsenstrompreis, der derzeit bei etwa 8,95 Cent liegt, soll der Staat übernehmen.
Vor der Kabinettsklausur auf Schloss Meseberg hat auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck seine Forderung nach einem staatlich subventionierten Strompreis für energieintensive Unternehmen bekräftigt. "Die Grundsatzfrage ist: Wollen wir in Zukunft in Deutschland energieintensive Industrie haben?", sagte der Grünen-Politiker am Dienstag im ARD-"Morgenmagazin". Er warnte vor Konsequenzen, falls diese Entlastung nicht kommt: "Ich sage nicht, dass die chemische Industrie, die Grundstoffindustrie dann morgen aus Deutschland verschwindet. Aber sie werden dann nicht in den Standort weiter investieren und perspektivisch dann Deutschland verlassen."
Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte am Montagmorgen ebenfalls gewarnt, die hohen Strompreise in Deutschland seien ein Problem. "Da bin ich gemeinsam mit Robert Habeck der Meinung, dass wir einen zeitlich begrenzten Industriestrompreis brauchen, der einigermaßen wettbewerbsfähig ist", sagte der Grünen-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. Niemand wolle auf Dauer einen subventionierten Strompreis. "In der Übergangsphase, bis die großen Leitungen von Nord nach Süd stehen und sich die Situation durch den jetzt wieder an Fahrt gewinnenden Hochlauf der regenerativen Energien bessern wird, brauchen wir sowas aber schon."
In einem Interview mit dem Deutschlandfunk unterstützt selbst der Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, die Forderung nach einem gesenkten Industriestrompreis und stellt sich damit gegen die meisten seiner Ökonomen-Kollegen. Die meisten Stimmen aus dem Ökonomenlage warnen vor einer selektiven Einführung eines Industriestrompreises für Großunternehmen, weil auch kleinere Unternehmen und Privathaushalte darunter litten. Stattdessen solle die Bundesregierung die Stromsteuer oder die EEG-Umlage absenken.
Demgegenüber hält der Arbeitgeberverband Gesamtmetall einen subventionierten Industriestrompreis nur für wenige Großunternehmen für falsch. "Deutschland und die deutsche Wirtschaft lebt vom Mittelstand, den Familienunternehmen, den vielen kleinen und mittleren Unternehmen. Dieser Industriestrompreis wird bei denen nicht ankommen", sagte Stefan Wolf, Präsident des Arbeitergeberverbandes, am Dienstag dem Sender Phoenix. Er forderte statt eines Industriestrompreises eine Senkung oder sogar komplette Abschaffung der Stromsteuer, wodurch alle Unternehmen entlastet würden. Dies fordert auch die Union. Die hohen Energiekosten seien auch für weniger energieintensive Unternehmen eine Belastung, sagte Wolf.
Innerhalb der Bundesregierung gibt es Streit um einen staatlich subventionierten Industriestrompreis. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will für eine Übergangsphase einen "Brückenstrompreis" von sechs Cent je Kilowattstunde für besonders energieintensive Betriebe. Auch die SPD-Fraktion will das. Die FDP lehnt einen Industriestrompreis ab, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zeigte sich bisher eher skeptisch.
SPD-Positionspapier
Die SPD-Abgeordneten der größten Regierungsfraktion hatten am Montag bei ihrer Klausurtagung im hessischen Wiesbaden einstimmig ein Positionspapier beschlossen, das einen gesenkten Industriestrompreis fordert. Scholz, der zu den 206 Abgeordneten der größten Regierungsfraktion gehört, verließ die Sitzung allerdings bereits vor Beginn der Debatte. In einem Redebeitrag zu Beginn der Klausur positionierte er sich nicht zu dem Papier. Er hatte sich in den vergangenen Wochen mehrfach skeptisch zu der Subvention geäußert und dauerhafte Staatshilfen sogar abgelehnt.
Mit der Befristung auf zunächst fünf Jahre will seine SPD ihm eine Brücke bauen. Das Thema birgt aber auch neues Konfliktpotenzial für die Ampel-Regierung. Die FDP lehnt die Subvention ab, die Grünen sind dafür. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich appellierte am Montag an die FDP, sich nicht gegen den Industriestrompreis zu sperren. "Man kann nicht immer Nein sagen", sagte er an die Adresse der Liberalen. Er verwies darauf, dass die Stützung der Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen ja auch zur "parteipolitischen Tradition" der Liberalen zähle.
Mit der vorübergehenden Staatshilfe sollen nach Ansicht der SPD-Fraktion vor allem Unternehmen entlastet werden, die besonders viel Energie verbrauchen. Hinzu kommen die Schlüsselbranchen für einen klimaschonenden Umbau der deutschen Wirtschaft, also zum Beispiel Produzenten von Windrädern, Solaranlagen, Batterien oder Wärmepumpen. So soll sichergestellt werden, dass die sogenannte Transformation zu einer klimafreundlichen Wirtschaft weiter Fahrt aufnimmt.
Finanziert werden soll die Subvention über den Wirtschaftsstabilisierungsfonds - einem Sondertopf des Bundes, aus dem die Energiepreisbremsen gezahlt werden. Dafür wird aber deutlich weniger Geld benötigt als erwartet.
Mietenbremse gefordert
In dem ebenfalls einstimmig beschlossenen Positionspapier zum Thema Wohnen wird eine stärkere Beschränkung von Mieterhöhungen gefordert. In Gegenden mit einem angespannten Wohnungsmarkt sollen sie in drei Jahren um maximal sechs Prozent und zudem nicht über die ortsübliche Vergleichsmiete steigen dürfen.
Aktuell gilt eine allgemeine Grenze für Mieterhöhungen von 20 Prozent in drei Jahren. In Gegenden mit angespanntem Wohnungsmarkt sind es 15%. Im Koalitionsvertrag hatten die Ampel-Parteien vereinbart, diese Kappungsgrenze auf 11% abzusenken. Das hält die SPD-Fraktion angesichts der aktuell kritischen Lage auf dem Wohnungsmarkt aber nicht für ausreichend.
Sie fordert auch eine Lösung für Indexmietverträge. Diese an die Inflationsrate gekoppelten Mieten sind zum Problem geworden, weil die Preise - und damit die Mieten - durch den Ukraine-Krieg stark anzogen. Sie schlägt nun vor, Indexmieten statt an die Inflationsrate an die allgemeine Entwicklung der Nettokaltmieten zu koppeln.
Der für das Thema zuständige Bundesjustizminister Marco Buschmann hat sich bisher gegen Forderungen nach Beschränkungen bei Indexmieten gewandt. "Unser Problem bei den Mieten ist doch nicht, dass wir zu wenig Regulierung haben, sondern zu wenig Wohnraum", hatte der FDP-Politiker vor zwei Wochen der Deutschen Presse-Agentur gesagt. Wenn die Bundesregierung privates Kapital für den Wohnungsbau mobilisieren wolle, sollte sie nicht das Signal aussenden, "dass da noch mehr Regulierung droht".