USA

McCarthy hinterlässt tief gespaltenen Kongress

Radikale Republikaner haben den Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, aus dem Amt getrieben und das Parlament ins Chaos gestürzt. Eine Mehrheit der Kongresskammer stimmte dafür, McCarthy von seinem mächtigen Posten abzusetzen.

McCarthy hinterlässt tief gespaltenen Kongress

McCarthy hinterlässt tief gespaltenen Kongress

Historische Abwahl eines Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses – McHenry übernimmt kommissarisch

det Washington

In einer historischen Abstimmung hat das US-Repräsentantenhaus Kevin McCarthy abgewählt. Die Abwahl des Fraktionschefs der republikanischen Mehrheitspartei hat den Kongress in heilloses Chaos gestürzt. Das Gesetzgebungsverfahren in Washington ist damit zu einem abrupten Stillstand gekommen. Alle Hoffnungen ruhen nun auf dem weitgehend unbekannten Abgeordneten Patrick McHenry aus North Carolina, der kommissarisch die Funktion des mächtigen Speaker übernommen hat.

Versprechen gebrochen

Betroffen sind von dem politischen Patt unter anderem die Wirtschaftshilfe für die Ukraine sowie die Verhandlungen über einen neuen US-Staatshaushalt. Mit diesem hatten Demokraten und Republikaner gehofft, einen Verwaltungsstillstand zu verhindern. Dieser droht in weniger als sechs Wochen, wenn die am Wochenende beschlossene Übergangsfinanzierung abläuft. Unterdessen bleibt völlig unklar, wer McCarthys langfristiger Nachfolger wird. Noch nie in der Geschichte des Repräsentantenhauses – neben dem Senat die zweite Kammer des US-Parlaments – war ein Fraktionsvorsitzender der Mehrheitspartei abgewählt worden. 

Zum Verhängnis wurde McCarthy, dass er während seiner knapp neun Monate im Amt mehrere Versprechen, die er gegenüber dem rechten Parteiflügel gemacht hatte, nicht eingelöst hatte. Insbesondere hatte er Vertretern der erzkonservativen Fraktion "Freedom Caucus" versprochen, bei den Budgetverhandlungen mit dem Weißen Haus drastische Sparmaßnahmen durchzusetzen. Eingetreten ist aber nach deren Wahrnehmung das Gegenteil. McCarthy einigte sich nämlich schon im Juni mit Präsident Joe Biden auf einige Ausgabenerhöhungen im Sozialbereich. Damit enttäuschte der kalifornische Politiker die erzkonservativen Republikaner.

Weichen selbst gestellt

In Rage versetzte McCarthy dann am Wochenende republikanische Hardliner, als er mit Demokraten einen Handel einging, um einen "Shutdown", also den Stillstand der Regierungsgeschäfte, zu verhindern. Ohne den Übergangshaushalt wäre es am 1. Oktober zu einem weitgehenden Verwaltungsstillstand gekommen. Wegen der politischen Kehrtwende im Haushaltsstreit stimmten nun aber acht konservative Republikaner für eine Amtsenthebung. Zu ihnen gesellten sich sämtliche Demokraten, die es aus wahltaktischen Gründen der Oppositionspartei überlassen wollen, ihren eigenen Scherbenhaufen aufzuräumen.

Die Weichen für seine Entmachtung hat McCarthy somit selbst gestellt. Im Januar benötigte der Abgeordnete in einem mehrtägigen Wahlmarathon 15 Durchgänge, ehe er schließlich mit einer hauchdünnen Mehrheit seinen Traumjob erobern konnte. Dafür machte er gegenüber den Hardlinern Zugeständnisse. Unter anderem könnte ein Abgeordneter im Alleingang ein Misstrauensvotum veranlassen. Diese Initiative übernahm nun Matt Gaetz aus Florida, ein Anhänger des ehemaligen Präsidenten Donald Trump. Er war McCarthy seit seinem Amtsantritt ein Dorn im Auge. Gaetz hatte schon seit Monaten mit einer Abstimmung gegen den "Speaker" kokettiert.

Große Kluft

McCarthys Position übernahm sofort McHenry, der nun "Speaker pro tempore" ist. Dass der Politiker aus North Carolina in diese Rolle schlüpfen würde, wusste vorher nur McCarthy selbst. Er hatte nach seinem Amtsantritt im Januar seinen Parteifreund zu der Position ernannt, sollte er abgewählt werden oder außerstande sein, seine Amtspflichten zu erfüllen. Eine neue Regel, die nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 eingeführt wurde, schreibt die geheime Ernennung eines kommissarischen Sprechers vor. Dies soll sicherstellen, dass in einem Ausnahmezustand der Kongress nahtlos zum politischen Tagesgeschäft übergehen kann.

Das aber dürfte aber angesichts der großen Kluft zwischen Demokraten und Republikanern und des immer tieferen Spalts innerhalb der Republikanischen Partei kaum möglich sein.