Vergeblicher Jahresschlussspurt der deutschen Industrie
Vergeblicher Jahresendspurt der deutschen Industrie
2024 Rückgänge bei Produktion, Export und Auftragseingang − Automobilbranche belastet − Bau stagniert − Energieerzeugung steigt
ba Frankfurt
Rückgänge bei Aufträgen, Produktion und Exporten: 2024 ist für die deutsche Industrie ein Jahr zum Abhaken. Da hilft auch der unerwartet kräftige Zuwachs bei Exporten und Auftragseingang im Dezember nicht. Vor allem die wichtige Automobilbranche belastet, ebenso wie die US-Zolldrohungen.
Der krisengeplagten deutschen Industrie ist doch kein versöhnliches Ende eines Jahres zum Vergessen vergönnt: Die Produktion fiel so gering aus wie seit mehr als viereinhalb Jahren nicht mehr. Wegen der strukturellen Probleme und trüben Aussichten ändern nach Einschätzung von Ökonomen weder die überraschend stark gestiegenen Auftragseingänge noch die höheren Exporte etwas an diesem Bild. Im Gesamtjahr 2024 zeigen alle drei Größen Rückgänge zum Vorjahr. Und die Standortprobleme und die Zolldrohungen des US-Präsidenten Donald Trump lassen wenig Zuversicht aufkommen. Zumal das Ifo-Geschäftsklima und der Einkaufsmanagerindex von einer anhaltend miesen Unternehmensstimmung zeugen.
Im Gesamtjahr 2024 haben Industrie, Bau und Energieerzeuger die Gesamtfertigung um 4,5% zum Vorjahr reduziert, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilte. Allein für Dezember ergibt sich wegen des Rückgangs in der gewichtigen Automobilbranche ein Rückgang von preis-, saison- und kalenderbereinigt 2,4% im Monatsvergleich. „Sie sank damit auf den niedrigsten Stand seit Mai 2020“, betonten die Wiesbadener Statistiker. Zudem verlief der November mit einem Plus von 1,3% weniger gut als mit 1,5% zunächst gemeldet. Ökonomen hatten zwar mit einem geringeren Output gerechnet, allerdings nur -0,7% prognostiziert. Gegenüber dem Vorjahr ergibt sich für Dezember ein Minus von 3,1%.
Weniger Brummis unterwegs
Nachdem wirtschaftliche Aktivität Fahrleistungen erzeugt und benötigt, lässt der Lkw-Maut-Index auf weitere Produktionsrückgänge schließen. Denn im Januar waren 0,1% weniger Brummis auf den deutschen Autobahnen unterwegs als im Dezember. Das Vorjahresniveau hingegen wurde um 1,3% übertroffen.
Während die Bauproduktion im Dezember auf dem Level vom November verharrte, stieg die Energieerzeugung um 1,1%. Die Industrie im engeren Sinne drosselte den Output um 3,3% zum Vormonat. Das lag insbesondere am Rückgang von 10,0% in der Automobilindustrie. Aber auch der Bereich der Maschinenwartung und -montage senkte die Fertigung drastisch, und zwar um 10,5%. Die energieintensiven Industriezweige produzierten 3,1% Positiv auf das Gesamtergebnis wirkte sich laut Destatis hingegen der Anstieg von 11,6% in der Pharmaindustrie aus. Allerdings, so betont Commerzbank-Ökonom Ralph Solveen, seien die Produktionszahlen um den Jahreswechsel sind immer sehr stark von der Lage der Weihnachtsfeiertage beeinflusst, deren Effekt von der Saisonbereinigung nicht vollständig herausgefiltert werde. „Trotzdem unterstreichen die Zahlen die anhaltende Schwäche der Industrie, die trotz der sich in den Auftragseingängen andeutenden etwas besseren Nachfrage noch einige Zeit anhalten dürfte.“
Keine Besserung in Sicht
„Zum Jahresende ist noch keine konjunkturelle Erholung in der Industrie erkennbar“, urteilte das Bundeswirtschaftsministerium. Die Auftragseingänge hätten im Dezember mit 6,9% zwar spürbar zugelegt, seien aber nach wie vor von starken monatlichen Schwankungen bei den Großaufträgen geprägt. Ohne diese volatile Größe schmilzt das Bestellplus auf 2,2%. Zudem fielen die Auftragseingänge im gesamten Jahr 2024 um 3,0% niedriger aus als im Vorjahr. „Der deutliche Rückgang im Dezember passt ins Bild“, 2024 sei ein Jahr zum Vergessen für die Industrie, sagte Nils Jannsen vom IfW Kiel. Bislang spreche wenig dafür, „dass die Industrieproduktion im laufenden Jahr viel ihrer Einbußen aus dem Jahr 2024 wettmachen kann“. Mit Blick auf Umsätze und Auftragseingänge seien die Geschäfte der Industrie im vergangenen Jahr im Inland sogar noch deutlich schlechter als im Ausland. Die realen Warenexporte sind 2024 ebenfalls deutlich zurückgegangen, obwohl das Auslandsgeschäft noch vergleichsweise günstig gelaufen sei.
Erneut weniger Exporte
2024 fielen die Exporte das zweite Mal in Folge, nämlich um 1,0% auf 1.559,7 Mrd. Euro. Die Importe gaben mit 2,8% auf 1.318,5 Mrd. Euro allerdings etwas stärker nach, so dass sich der Außenhandelsüberschuss auf 241,2 Mrd. Euro ausweitete. „Damit bewahrheitet sich unsere düstere Prognose für 2024 - der eigentliche Wachstumsmotor Exportwirtschaft befindet sich in einer Abwärtsspirale“, kommentiert Dirk Jandura, Chef des Außenhandelsverbands BGA. Schon seit 2015 verzeichne Deutschland im internationalen Vergleich die drittschlechteste Entwicklung der Exportperformance aller von der OECD analysierten Länder. „Der Rückgang spiegelt die dramatische Wettbewerbsschwäche der deutschen Wirtschaft sowie die gesamtwirtschaftliche Lage wider“, so Jandura. Im Dezember stiegen die Exporte um 2,9% und die Importe um 2,1% gegenüber November. Hauptabnehmer blieben die USA.
In die Vereinigten Staaten wurden aber 3,5% weniger Waren exportiert als im November, die Ausfuhren nahmen auf einen Wert von 13,5 Mrd. Euro ab. Die Exporte nach China legten um 1,4% auf 6,7 Mrd. Euro zu. Ein Rückgang wurde auch bei den Ausfuhren nach Großbritannien verzeichnet − um 6,6% auf 6,7 Mrd. Euro.