Energiekosten

Wie EU-Staaten Bürger und Unternehmen stützen

Während sich die Briten auf deutlich teurere Energie einstellen müssen und Deutschland zögert, haben andere Länder bereits einen bunten Strauß an Entlastungen gebunden. Ein Überblick.

Wie EU-Staaten Bürger und Unternehmen stützen

ths
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BZ

Die Energiekosten und die zuletzt rekordhohe Inflation veranlassen viele EU-Staaten, Entlastungspakete für ihre Bürger zu schnüren. Während in Großbritannien die Energiepreise nun um 80% steigen und Deutschland noch über die Einzelheiten – insbesondere nach dem Ende von Tankrabatt und 9-Euro-Ticket – diskutiert, gibt es anderswo bereits konkrete Hilfen.

Italiens Ministerpräsident Mario Draghi will noch vor den Parlamentswahlen am 25. September ein neues Entlastungspaket vorstellen. Geplant sind neue Hilfen im Umfang von rund 10 Mrd. Euro. Neben Steuergutschriften für Unternehmen und einer Verlängerung der Kurzarbeiterregelung sind vor allem eine Verlängerung der Senkung der Mineralölsteuer um 30 Cent je Liter sowie Hilfen für die Senkung der Energiepreise vorgesehen. Insgesamt hat die Regierung Draghi seit Herbst 2021 etwa 50 Mrd. Euro für Hilfen lockergemacht. Das entspricht 2,8 % des Bruttoinlandsprodukts. Da Italien aber weiter stark wächst – in diesem Jahr voraussichtlich um 3,4 % – und die Steuereinnahmen sprudeln, war zur Finanzierung der Maßnahmen bisher keine Erhöhung der Verschuldung notwendig. Trotz des Drucks anderer politischer Parteien will Draghi eine Neuverschuldung vermeiden. An der Finanzierung der Maßnahmen sollen sich auch die Energiekonzerne mit einer Übergewinnsteuer beteiligen. Diese floppt jedoch. Statt der geplanten 4,2 Mrd. Euro aus einer ersten Tranche kam bisher nur knapp 1 Mrd. Euro herein, weil sich viele Firmen weigern zu zahlen. Sie hoffen auf Unterstützung des Verwaltungsgerichts.

In Spanien ist nach dem jüngsten Maßnahmenpaket der Linksregierung der öffentliche Nahverkehr für Pendler bis Jahresende kostenlos. Benzin und Diesel werden weiterhin bezuschusst. Transportunternehmen be­kommen Hilfen in Höhe von 450 Mill. Euro. Auch andere von der Inflation besonders stark betroffene Branchen wie die Landwirtschaft erhalten Subventionen. Auch eine Million Studenten und Auszubildende bekommen eine Erhöhung ihrer Stipendien von 100 Euro im Monat bis Jahresende. Die Mehrwertsteuer auf Strom ist auf den nach EU-Recht zulässigen Mindestsatz von 5 % reduziert worden. Zudem führe Spanien im Juni eine Deckelung des Gaspreises bei der Stromerzeugung ein, nachdem man zusammen mit Portugal in Brüssel eine Ausnahmeregelung errungen hatte. Heute liegt der Preis für die Megawattstunde deutlich unter den Tarifen etwa in Deutschland. Die Regierung von Pedro Sánchez sieht sich bestätigt, da auch andere ­EU-Länder ähnliche Maßnahmen erwägen.

Präsident Emmanuel Macron hat seine Landsleute gerade auf das „Ende des Überflusses, der Sorglosigkeit und der Gewissheiten“ eingestimmt. Frankreichs Re­gierung hat bereits seit Januar verschiedene Maßnahmen beschlossen, um die Kaufkraft der französischen Bevölkerung zu stützen – und die Konjunkturschwäche abzufedern. So hat die Nationalversammlung nach teilweise sehr hitzigen Debatten im Juli ein Paket im Umfang von 20 Mrd. Euro beschlossen, wodurch sich die Entlastungen auf 60 Mrd. Euro erhöhen. Sozialleistungen wie Beihilfen und Renten wurden rückwirkend um 4% erhöht. Haushalte mit geringem Einkommen erhalten einen Nahrungsmittelscheck über 100 Euro und 50 Euro je Kind. Zudem wurden die Rundfunkgebühren abgeschafft. Der im April in Kraft getretene Tankrabatt soll ab September schrittweise auslaufen, aber durch eine Tankzulage für Pendler ersetzt werden. Zusätzlich dazu soll die Anfang des Jahres beschlossene Deckelung der Gas- und Strompreise bis Ende 2022 fortgesetzt werden. Diese werde aber nicht dauerhaft in diesem Umfang fortgesetzt, warnte Regierungssprecher Olivier Véran. Mit Blick auf die Staatsfinanzen hätten die Stützungsmaßnahmen Grenzen. Eine Übergewinnsteuer hat Wirtschaftsminister Bruno Le Maire bisher ausgeschlossen.

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