Bank of England senkt Leitzins
Bank of England senkt Leitzins
Chefvolkswirt der Notenbank stimmt dagegen – Knappe Mehrheit für geldpolitische Lockerung
Die Bank of England hat erstmals seit Ausbruch der Pandemie den Leitzins gesenkt. Vier der neun Mitglieder des geldpolitischen Komitees stimmten gegen die Entscheidung, darunter der Chefvolkswirt der Notenbank, Huw Pill. Auch nach der Senkung um 25 Basispunkte liegt der Leitzins auf dem höchsten Stand seit April 2008.
hip London
Die Bank of England hat den Leitzins um 25 Basispunkte auf 5,0% gesenkt. Es war eine Entscheidung auf Messers Schneide. Wie aus dem Protokoll der Sitzung des geldpolitischen Komitees hervorgeht, stimmten nur fünf der neun Mitglieder für den Schritt nach unten. Die vier anderen, darunter der Chefvolkswirt der Notenbank Huw Pill, hätten den Status quo gerne beibehalten.
Am Aktienmarkt sorgte die Zinsentscheidung für einen kleinen Kurssprung, bei den stärker auf den heimischen Markt fokussierten Werten im FTSE 250 mehr als bei den multinationalen Konzernen im FTSE 100. Das Pfund gab gegen den Dollar nach.
Tauben im Aufwind
Es sei angemessen, „den Grad der Restriktivität der Geldpolitik etwas zu reduzieren“, wird im Protokoll die Sicht der fünf Mitglieder wiedergegeben, die sich am Ende durchsetzen konnten. Die Auswirkungen der externen Schocks der Vergangenheit hätten nachgelassen, und man habe einige Fortschritte gemacht bei der Abmilderung der Risiken, dass sich die Inflation festsetze.
Es habe eine Normalisierung der Inflationserwartungen stattgefunden. Frühindikatoren wie die Ergebnisse der Umfragen der Bank of England unter wirtschaftlichen Entscheidern deuteten darauf hin, dass der Lohn- und Preisdruck nachlasse.
Bailey für Zinssenkung
Die beiden Tauben Swati Dhingra und Dave Ramsden, die schon auf den beiden vorangegangenen Sitzungen für eine Zinssenkung votiert hatten, konnten auch Sarah Breeden, Clare Lombardelli und den Gouverneur der Bank of England, Andrew Bailey, von der Notwendigkeit einer Lockerung überzeugen.
Man werde die Dienstleistungsinflation als Indikator für die Hartnäckigkeit des heimischen Inflationsdrucks weiterhin genau verfolgen, sagte Bailey am Donnerstag. „Wir müssen das sehr sorgfältig beobachten.“ Man werde auf jeder der kommenden Sitzungen des geldpolitischen Komitees „über den angemessenen Grad der geldpolitischen Restriktivität entscheiden“.
„Zu lange gewartet“
„Die Bank of England hatte recht, die Zinsen heute zu senken, aber sie hat zu lange gewartet, es zu tun“, sagte der Volkswirt Carsten Jung vom Institute for Public Policy Research. „Die Notenbank hat die wirtschaftliche Erholung des Vereinigten Königreichs zurückgehalten, indem sie die langfristigen Auswirkungen hoher Zinsen unterschätzt hat.“
Das Land bewege sich immer noch um 6% unterhalb des vor der Pandemie eingeschlagenen Wachstumspfads, sagte Jung. „Mit Inflationserwartungen auf dem Niveau von vor der Pandemie und einem sich abkühlenden Arbeitsmarkt ist es nun an der Zeit für die Bank of England, klar zu signalisieren, dass sie den Leitzins in den kommenden Monaten weiter senken wird.“
Wenig Wachstum erwartet
Bei der Notenbank rechnet man damit, dass die britische Wirtschaft in den kommenden Jahren nur wenig wachsen wird. Zwar wurde die Wachstumsprognose für das laufende Jahr von 0,5% auf 1,25% erhöht. Für das kommende Jahr werden lediglich 1,0% angesetzt, für 2026 gerade einmal 1,25%.
Ein weiterer Zinsschritt im September stehe wohl nicht auf dem Plan, sagte Katharine Neiss, Europa-Chefvolkswirtin von PGIM Fixed Income. In der Finanzbranche hat man sich darauf eingestellt, dass die Zinsen längere Zeit hoch bleiben.
„Wir rechnen mit nur einem Zinsschritt auf 5,0% in diesem Jahr“, sagte Barclays-Finanzchefin Anna Cross kurz vor Bekanntgabe der Zinsentscheidung. Im Februar hatte die Bank noch fünf Zinssenkungen auf 4,0% Ende 2024 erwartet. Käme es doch zu einem weiteren Zinsschritt, würde das am Zinsergebnis des Instituts wohl nicht viel ändern, fügte Cross hinzu.