Wirtschaftsstandort Deutschland nicht gleich abschreiben
Wirtschaftsstandort Deutschland nicht gleich abschreiben
Die negativen Nachrichten rund um die deutsche Wirtschaft reißen nicht ab. Nachdem der einstige Exportweltmeister schon im vierten Quartal 2023 kein Wachstum verzeichnen konnte, sind auch die Aussichten für das laufende Jahr recht trübe. Dabei galt Deutschland über Jahrzehnte als europäisches Vorbild: starke Industrie, innovative Technologie und hoch qualifizierte Arbeitskräfte. „Made in Germany“ wurde zur Marke. Doch mittlerweile trübt sich der Glanz ein – Unternehmen klagen über zu viel Bürokratie, der Fachkräftemangel schreitet voran und bei der Energiepolitik hakt es.
Viele Baustellen
Mit der jüngst verabschiedeten Kraftwerksstrategie möchte die Politik die Planungssicherheit in Sachen Energie erhöhen, zusätzlich soll verstärkt in wasserstofffähige Gaskraftwerke investiert werden. Trotzdem stellen sich vor allem energieintensive Unternehmen zunehmend die Standortfrage. Investitionen in neue Produktionskapazitäten werden immer öfter im Ausland getätigt und auch bestehende Werke stehen auf dem Prüfstand, werden teilweise geschlossen oder ebenfalls verlagert.
Auch in Sachen Fachkräftemangel ist eine steigende Nervosität festzustellen, da im kommenden Jahrzehnt die Babyboomer sukzessive das Rentenalter erreichen werden. Deutsche Unternehmen sind bereits dabei, sich darauf vorzubereiten.
Besonders die Digitalisierung bietet Flexibilität, um Mitarbeiter ortsunabhängiger einzusetzen. Das führt dazu, dass neue Stellen zunehmend im Ausland geschaffen werden, zum Beispiel im IT-Bereich. Insbesondere Länder in Osteuropa werden von deutschen Unternehmen präferiert. Auch das Thema künstliche Intelligenz kann ein Ansatz sein, den Fachkräftemangel abzufedern. Hier arbeiten Firmen mit Hochdruck daran, manuelle Prozesse zu digitalisieren und damit Personal einzusparen.
Erschwerte Bedingungen
Vor dem Hintergrund dieser Bemühungen sollte man daher vorsichtig sein, den Stab über Deutschland zu schnell zu brechen. Denn die hiesigen Unternehmen haben schon so manche Krise gemeistert und sich erschwerten Bedingungen des Öfteren erfolgreich angepasst – wenngleich nicht immer der Standort selber von den Ausweichstrategien profitiert, so doch die Unternehmen und damit die durch sie repräsentierte Wirtschaftsbasis in Deutschland. Wachstumschancen werden verstärkt im Ausland gesucht, die Expansion in den USA wird beispielsweise sukzessive vorangetrieben. Besonders am aktuellen Höhenflug des Dax lässt sich ablesen, wie deutlich sich Unternehmen von der heimischen Wirtschaftsschwäche abzukoppeln vermögen.
Für Investoren ist es wichtig, das Thema Energie im Auge zu behalten. In erster Linie sind es energieintensive Branchen wie Chemie oder Stahl, die durch die höheren Energiekosten kränkeln. Der deutsche Mittelstand hingegen beinhaltet viele Unternehmen mit weniger energieintensiven Geschäftsmodellen, die somit in geringerem Maße von der Energiepolitik betroffen sind.
Nebenwerte attraktiv
Daher besteht im aktuellen Umfeld eine einmalige Investmentchance im deutschen Mittelstand, zumal ein Großteil des Marktes das Nebenwertesegment vernachlässigt. Dass diese Small Caps mittlerweile zu historisch günstigen Preisen gegenüber Large Caps handeln, ist auch Private-Equity-Firmen nicht verborgen geblieben. Im August 2023 etwa sorgte die Nachricht für Aufsehen, dass der Private-Equity-Gigant KKR ein Übernahmeangebot für das Raumfahrt- und Technologieunternehmen OHB plant. Solche Hidden Champions gibt es genug in Deutschland – und sie bilden auch die DNA des trotz aller Widrigkeiten erfolgreichen Standorts ab. Und mit ihnen lässt sich die deutsche Wirtschaftsschwäche auch überwinden.