Ukraine-Krieg

Aktien vor unruhigen Wochen

Angesichts des Ukraine-Kriegs, für den sich keine zeitnahe politische Lösung abzeichnet, müssen sich die Investoren auf eine längere Phase mit starken Kursschwankungen an den Aktienmärkten einstellen.

Aktien vor unruhigen Wochen

Wenn nicht noch ein Wunder geschieht, werden die Aktienmärkte in diesem Jahr eines ihrer bislang schlechtesten Auftaktquartale erleben. Denn ein Ende des Krieges in der Ukraine ist derzeit nicht abzusehen, und damit bleibt – neben dem menschlichen Leid, das er noch verursachen wird – bis auf Weiteres auch vollkommen unklar, welches Ausmaß die wirtschaftlichen Schäden annehmen werden. Noch muss das grundsätzlich positive Aktienmarktszenario für dieses Jahr – ein ansprechendes Wachstum der Weltwirtschaft und der Unternehmensgewinne, gestützt durch die Wiederöffnung des gesellschaftlichen Lebens, aufgestaute Nachfrage und nachlassende Lieferkettenprobleme, nicht aufgegeben werden. Jedoch können die Investoren angesichts der völlig unkalkulierbaren Entwicklung in der Ukraine vorerst nicht sicher sein, dass die Aktienmärkte sich bereits in der Nähe ihres Bodens befinden, sondern müssen mit weiteren, unter Umständen erheblichen Kursrückgängen rechnen und sich auf Risikobegrenzung fokussieren.

Mit Vorsicht ist der Hinweis auf die Geschichte zu genießen, auf die Erfahrung, dass Aktienmarkteinbrüche, die von politischen Krisen beziehungsweise kriegerischen Konflikten ausgelöst werden, in der Regel kurzlebiger Natur sind. Denn eine Garantie, dass die Dauer der aktuellen Schwäche der Aktienmärkte kurz sein wird und weitere Kurseinbrüche ausbleiben werden, kann daraus keineswegs abgeleitet werden. Ähnliches gilt für das vergleichsweise geringe wirtschaftliche Gewicht Russlands, das 2020 nach Bruttoinlandsprodukt in etwa so groß wie Brasilien war. Das Land hat bei etlichen wichtigen Rohstoffen sehr hohe Anteile am globalen Angebot, und welche Hebelwirkungen das entfalten kann, zeigen gerade die Energiemärkte derzeit sehr deutlich auf. Überdies erfolgen die zusätzliche deutliche Erhöhung der Rohstoffkosten für Unternehmen und Verbraucher und der weitgehende, wenn auch gesamtwirtschaftlich gesehen nicht sehr gravierende Wegfall des russischen Marktes in einer Phase, in der die Erwartungen an das globale Wachstum bereits zurückgeschraubt worden sind.

Hoffnungen für den Aktienmarkt wurden zuletzt aus der Erwartung geschöpft, dass sich die Zentralbanken von ihrer verschärften Gangart, was Leitzinsanhebungen betrifft, nun wieder abkehren könnten. Das würde den Bewertungsdruck, der von steigenden Zinsen beziehungsweise Anleiherenditen auf die Aktienmärkte ausgegangen ist, ein wenig abmildern. Es ist jedoch zu befürchten, dass die Märkte Leitzinserhöhungen zu aggressiv ausgepreist haben. Die von dem Krieg ausgehenden wirtschaftlichen Risiken haben die Bank of Canada am Mittwoch nicht davon abgehalten, ihre erste Leitzinsanhebung seit dem Jahr 2018 zu beschließen. Und Fed-Chairman Jerome Powell signalisierte zwar, dass von der Tagung der US-Zentralbank Mitte des Monats wohl kein großer Zinsschritt von 50 Basispunkten zu erwarten ist, erklärte aber, eine Erhöhung von 25 Basispunkten zu favorisieren. Die Notenbanken werden angesichts der aktuellen Situation vermutlich auf behutsames Vorgehen be­dacht sein. An der Marschrichtung der Währungshüter hat sich jedoch im Grundsätzlichen nichts geändert.

Dafür gibt es für die Zentralbanken auch keinen Grund. Denn die hartnäckig hohe Inflation macht ein Gegensteuern unumgänglich, wie etwa die am Donnerstag veröffentlichten Zahlen nochmals deutlich gemacht haben. Die Erzeugerpreise des Euroraums sind im Januar aufgrund der stark anziehenden Energiepreise im Vorjahresvergleich um mehr als 30% und damit so stark wie noch nie gestiegen, und die jüngsten Preissprünge von Öl und Gas sowie weiteren Rohstoffen bedeuten, dass so schnell auch nicht mit einer nennenswerten Entspannung gerechnet werden kann. Die Kombination aus anhaltend hohen Inflationsraten und nachlassenden, nun mit zusätzlichen Abwärtsrisiken versehenen Wachstumserwartungen schürt bereits Befürchtungen, dass es zur Stagflation kommen könnte – kein erfreuliches Szenario für die Aktienmärkte.

So weit wird es nicht kommen, wenn es gelingt, in absehbarer Zeit einen Ausweg aus der verfahrenen Situation in der Ukraine zu finden. Doch für eine einigermaßen zeitnahe und für alle Parteien tragfähige politische Lösung gibt es derzeit keinerlei Anzeichen. Nur eines scheint sicher zu sein: Den Aktienmärkten steht noch eine wochenlange Phase der Unsicherheit mit starken Kursschwankungen bevor.

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