Telekom-Strategie

Balanceakt

In den USA ist der Telekom der große Wurf gelungen. Er ist umso wichtiger, als ein vergleichbares Glanzstück in Europa nicht in Sicht ist.

Balanceakt

Nach dem erfolgreichen Zusammenschluss ihrer US-Tochter mit dem Wettbewerber Sprint wartet die Deutsche Telekom am Kapitalmarkt mit starken Zahlen auf, die nicht nur dem Streubesitz, sondern auch dem Großaktionär letzte Zweifel an den Vorzügen der Transaktion jenseits des Atlantiks nehmen dürften: Die angestrebten Synergien sollen sogar etwas höher ausfallen als geplant, so dass beim Ergebnis große Sprünge in Aussicht gestellt werden. Die anfängliche Sorge, dass den T-Aktionären bei der Dividende eine längere Durststrecke blühen könnte, ist damit vom Tisch. Dafür beansprucht die Telekom den Geduldsfaden der Ratingagenturen etwas länger, weil sie die schnelle Entschuldung hintanstellt, damit sie den erwarteten starken Cash-flow von T-Mobile US nutzen kann, um ihre Beteiligung zu erhöhen und in jedem Fall die Mehrheit sicherzustellen. Der Schritt ist strategisch alternativlos, denn die Telekom würde bei einem Kontrollverlust den Zugriff auf den Cash-flow der Tochter verlieren. Die Gefahr für das Rating hält sich überdies in Grenzen, da der Bund als Ankeraktionär aus Sicht der Fremdkapitalgeber eine belastbare Bürgschaft darstellt.

Damit ist der Staat als Anteilseigner der Telekom noch einmal Schutz und Schild, eine Funktion, die gern vergessen wird, wenn in der Branche wieder die Fragmentierung des europäischen Marktes beklagt und die Konsolidierung angemahnt wird. Für eine solche fehlt in Europa allerdings in der Tat der politische Wille, jedenfalls was den vermeintlichen großen Wurf betrifft, einen Zusammenschluss nationaler Platzhirsche. Das spielt aber auch keine große Rolle, solange eine unabhängige und schlagkräftige Wettbewerbsaufsicht der Bildung „europäischer Champions“ mit Argwohn begegnet. Inzwischen stellen sich die Kartellwächter und die EU-Kommission auch fast grundsätzlich gegen weitere Zusammenschlüsse von Telekommunikationsunternehmen innerhalb einzelner Länder. Die Argumentation, dass nur wirklich großvolumige Skaleneffekte und damit eine Netzekonsolidierung über Grenzen hinweg geeignet sind, damit Europa bei digitaler Infrastruktur den Anschluss an Amerika oder Asien finden kann, verfängt bei den Wettbewerbshütern nicht. Im Gegenteil: Die Behörden fördern ausdrücklich den Beginn von Neueinsteigern im Markt, wie hierzulande der 5G-Newcomer United Internet zeigt.

Damit steht der Telekom nach dem Kraftakt in den USA in Europa und vor allem auch im Heimatmarkt ein weiterer bevor. Sie wird trotz aller Sparanstrengungen und technologischen Fortschritten beileibe nicht in allen gegenwärtigen Präsenzmärkten in der Lage sein, den Cash-flow für die nötigen Investitionen auch dort zu erwirtschaften. Und dies mag nicht nur für einige osteuropäische Märkte gelten, aus denen sich der Konzern im Ernstfall ohne großes Federlesen zurückziehen kann, oder in den Niederlanden, wo sie ihre Tochter ins Schaufenster gestellt hat.

Auch die Situation in Deutschland ist für die Telekom kein reiner Quell der Freude. Der große Wettbewerber Vodafone hat durch den Zugriff auf die Kabelgesellschaften aufgerüstet, im Glasfasermarkt sind nicht nur Partner, sondern auch Wettbewerber unterwegs. Gerade der Glasfaserausbau verschlingt enorme Summen, wenn es um einzelne direkte Hausanschlüsse geht. Die Netzauslastung – gemessen an der Vermarktungsquote – kann dabei noch kaum zufriedenstellen; die Rendite daher ebenso wenig. Dies wird im breiten Privatkundenmarkt so bleiben, solange es an vielfältigem Content und Services fehlt, die sehr hohe Bandbreiten verlangen. Das teure Engagement mit eigenem Content hat sich für die Branche insgesamt als Fehlschlag erwiesen, die Telekom hat davon zu Recht die Finger gelassen und will kein Content-Player sein. Die Strategie als Infrastruktur-Player hat indes den Nachteil, von den Content-Playern abhängig und manchmal auch getrieben zu sein. Eine besondere Triebkraft entfaltet überdies der Staat, der die Telekom gern an ihren Versorgungsauftrag in der Fläche erinnert, die in der Digitalisierung den urbanen Zentren nicht endlos hinterherhinken soll.

Sollte also der Cash-flow im Heimatmarkt für Investitionen und Dividende doch nicht ausreichen, kann die Telekom ihr Tafelsilber, etwa in Gestalt des Funkturmgeschäfts, abgeben. Um dabei in bester Verhandlungsposition zu sein, sollte indes kein Zeitdruck herrschen. Da trifft es sich gut, wenn nicht nur „kein Geld aus Deutschland in die USA fließt“, wie der Vorstand stets versprach, sondern mittelfristig sogar Geld aus den USA nach Deutschland fließen kann.