Im Blickfeld Automesse Schanghai

Chinas E-Auto-Helden ringen um globale Expansion

Chinas E-Automarkt platzt aus allen Nähten. Ein atemberaubender Preiskampf bei drohenden Überkapazitäten soll durch die Eroberung von Auslandsmärkten gelindert werden. Dabei geht es nicht nur um Absatzventile, sondern auch um die dringend benötigte Margenstärkung.

Chinas E-Auto-Helden ringen um globale Expansion

Chinas E-Auto-Helden ringen um globale Expansion

Chinas E-Auto-Szene platzt aus allen Nähten. Im atemberaubenden Preiskampf bei drohenden Überkapazitäten wird die Eroberung von Auslandsmärkten zur Erfordernis. Es geht nicht nur um Absatzventile, sondern auch um dringend benötigte Margenstärkung.

Von Norbert Hellmann, Schanghai

Von einem aufgeheizten Wettbewerb im chinesischen Elektroautomarkt zu sprechen, ist eine glatte Untertreibung. Die Anzahl der Premieren und Modellvorstellungen auf der weltgrößten Automesse in Schanghai liegt bei deutlich über Hundert. Selbstverständlich wird das Gros von den heimischen chinesischen Autobauern gestellt, die sich mit Innovationen und auf junge Käuferschichten zugeschnittenen Lifestyle-Konzepten und technologischen Features gegenseitig übertreffen.

Ein Haifischbecken

Bei aller Faszination für das Feuerwerk an facettenreichen Innovationen und explosiver Verkaufsdynamik bei elektrischen Fahrzeugen beschäftigt sich die Branche mit einer quälenden Frage: In diesem Haifischbecken tummeln sich neben High-Flyern wie BYD und Geely ein gutes Dutzend großer etablierter Staatskonzerne sowie ein Sammelsurium neuformierter Hersteller aus der Tech-Branche. Das unübersichtliche Gemisch verschärft sowohl den Preiskampf als auch das drohende Überkapazitätsproblem.

Kapazitätsüberhang

Chinas gewaltiger Überhang an Produktionskapazität im Automobilsektor steht in einem engen Zusammenhang mit dem im heimischen Markt erlahmenden Verbrenner-Geschäft und erfordert schmerzhafte strukturelle Anpassungen, die bislang noch wenig angegangen wurden. Die seit 2020 stark hochschnellenden Autoexporte schaffen Linderung, aber nicht in einem vergleichbaren Maße. Mit dem Kapazitätsaufbau bei E-Fahrzeugen verstärkt sich das Problem. Das Exportvolumen erreichte mit 4,8 Millionen Pkw und dem Schwerpunkt in asiatischen Schwellenländern einen Zuwachs von 25%. Der Export von Elektroautos wuchs ähnlich dynamisch um 24%. Er macht mit 1,3 Millionen aber nur gut ein Viertel der gesamten Exporte aus.

Im vergangenen Jahr haben 86 Markenhersteller 327 verschiedene Elektromodelle produziert, Varianten mit hybriden Antriebssträngen sind noch nicht einmal mitgezählt. Man kann sich ausmalen, dass es in diesem Markt nur wenige echte Gewinner geben kann, die aus ihren Innovationsschüben irgendwann einmal nachhaltige Profite erzielen werden und eine langfristige Überlebenschance erhalten.

Im Überlebenskampf

In Expertendiskussionen zum allfälligen Konsolidierungsbedarf taucht immer wieder die Zahl 10 auf. Eine Handvoll von Tech-Adressen kann man zutrauen, sich tatsächlich im Markt durchzusetzen. Eine von ihnen ist der Smartcar-Bauer Xpeng, seines Zeichens mittlerweile auch Kooperationspartner von Volkswagen in China und eine treibende Kraft in Sachen technologischer Führerschaft.

Ansage von Xpeng

XPeng-Gründer He Xiaopeng hat sich im Umfeld der Messe mit seinem Rezept für einen langen Atem hervorgetan. Es gilt die Jagd nach technologischen Durchbrüchen mit Kostenkontrolle im Gleichgewicht zu halten. Die Marktstrukturen in Chinas Elektromobilitätsszene lassen nicht erwarten, dass sich der hitzige Preiswettbewerb im Heimatgeschäft entspannen wird. So verstärkt sich der Zwang, ausländische Märkte zu erschließen, auf denen chinesische Autobauer keinem vergleichbaren Druck ausgesetzt sind und mit ihren besonders innovativen Produkten auch tatsächlich so etwas wie Preismacht entfalten können.

Trump macht es unübersichtlich

Der Turbowettbewerb im Heimatmarkt macht Globalisierung zu einer Notwendigkeit, um im Überlebens- und Konsolidierungskampf zu bestehen, lautet die Quintessenz. Damit trifft man einen Nerv der chinesischen Regierung und ihren wirtschaftspolitischen Zielen. Pekings massive langjährige Förderkampagne hat China zur Technologieführerschaft in der Elektromobilität verholfen. Mit der gilt es nun, weiter in die Welt zu ziehen. Wachsender Protektionismus, der insbesondere Chinas Industriepolitik mit dem Transfer von Überkapazitäten ins Ausland zur Zielscheibe macht, ist ein ernstes Hindernis. Von US-Präsident Donald Trump geschürte Handelsverwerfungen machen die Situation erst recht unübersichtlich.

BYD geht in Position

In Sachen globaler Expansion steht Chinas Marktführer und Bestverdiener im Autogeschäft BYD klar im Vordergrund. BYD hat sich bereits mit gewaltigem Ressourcenaufwand für das Entree in europäischen, asiatischen und südamerikanischen Ländern positioniert. Für chinesische Start-ups, die wie Xpeng die Gewinnschnelle noch nicht erreicht haben, ist der Kapitalaufwand für die Erschließung von Auslandsmärkten schwieriger zu stemmen. Das hindert sie allerdings nicht daran, ihre Fühler auszustrecken und Auslandsdependancen in Serie aufzuziehen. Xpeng etwa ist seit dem vergangenen Jahr bereits in 30 Ländern präsent und will weitere 30 Märkte noch in diesem Jahr anzapfen.

Handelskonflikte greifen

Das Eiltempo, das chinesische Elektroautobauer an den Tag legen, weckt Befürchtungen, die man aus anderen Branchen wie Stahl und Umwelttechnik nur zu gut kennt. Die Furcht vor einer künstlich verbilligten chinesischen Produktschwemme liegt im Zentrum globaler Handelskonflikte. Im gegenwärtigen Streitklima unter Trump rückt der US-Markt für Chinas Autobauer erst recht in weite Ferne. In Europa – ein schon aus Prestigegründen besonders begehrtes Expansionsterritorium – hat man noch einen mühevollen Weg vor sich, um Produktionsvorteile und den Innovationsvorsprung beim Kunden anzubringen. Für jeden Einzelmarkt gelten andere Bedingungen. Ein Durchbruch erscheint eher bei Plug-Ins als den auf Mobilitätsbedürfnisse in Chinas Megastädten abgestimmten Batterieautos möglich.

Hürden in Deutschland

Im größten EU-Automarkt Deutschland wird das besonders deutlich. Dort hat der Kraftprotz BYD im ersten Quartal weniger als 1.300 Fahrzeuge an Kunden gebracht, wobei die meisten nicht Privatkäufer, sondern Autohändler sind. Xpeng und Nio kamen auf ein paar Hundert verkaufte Vehikel. Chinesische Autos schneiden in Test gut ab und stoßen auf latentes Interesse. Bei dünner Händlerdecke in einem Land, in dem die Nachfrage nicht nur mit paar Showrooms in Großstädten, sondern in breiter Fläche abgedeckt werden muss, bringt das keine zählbaren Ergebnisse.

Strategieanpassung

Die EU ist mit der Verhängung von Ausgleichszöllen auf Chinas Elektroauto-Exporte in Vorlage gegangen, um die europäische Autoindustrie einstweilen zu schützen. Das hat die Exporte zunächst fühlbar gebremst. Bei allem Unmut, den die Pekinger Regierung und die Autobauer diesbezüglich entwickeln, ist das Ärgernis auch eine Chance für eine sowieso fällige Strategieanpassung bei der Erschließung westlicher Märkte. Auch abseits von Zollaufschlägen ist in den gesättigten europäischen Automobilmärkten ein schnelles Durchkommen mit explosiven Verkaufszahlen kaum realisierbar.

Mindestpreise statt Zölle?

Tatsächlich aber gibt es in der Zollthematik eine Bewegung, die aufhorchen lässt. Als Hoffnungswert gelten neue Gesprächsansätze der chinesischen Regierung mit der EU. Donald Trumps ausufernde Strafzollpolitik gegenüber China und Europa lässt die „Opfer“ näher zusammenrücken. Zur Diskussion steht nun eine mögliche Aufhebung der EU-Ausgleichszölle bei Einführung konkreter Mindestpreisregeln. Damit würde der Schutzgedanke aufrechterhalten, aber auf andere Weise angegangen.

BYD & Co. könnten dann zwar weiterhin nicht mit Kampfpreisen in den Ring steigen. Wenn jedoch keine Zölle abgeführt werden, landet die regulatorisch erwirkte Verteuerung als Gewinn in der Tasche der Autobauer. Damit landet man genau bei dem Aspekt, der die globale Expansion chinesischer Hersteller betriebswirtschaftlich in den Vordergrund rücken lässt. Margenstärkung durch den Gang ins Ausland ist die eigentliche Perspektive, auch wenn es nur in gemächlicherem Tempo vonstatten geht.

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