LeitartikelJunk-Bond-Spreads weiten sich aus

Der Müllhaufen des US-Anleihemarkts riecht zunehmend übler

Die Spreads bei amerikanischen Ramschanleihen haben sich zuletzt ausgeweitet, befinden sich aber immer noch auf zu niedrigen Niveaus. Gefahren im Segment drohen auch auf andere Assets überzugreifen.

Der Müllhaufen des US-Anleihemarkts riecht zunehmend übler

Junk Bonds

Der Müllhaufen riecht zunehmend übler

Von Alex Wehnert

Die Spreads an Amerikas Markt für Ramschanleihen haben sich zuletzt ausgeweitet, doch Investoren unterschätzen die Risiken im Segment noch.

Am amerikanischen Markt für Ramschanleihen rümpft so mancher Analyst inzwischen zu Recht die Nase – die Breite der Investoren an der Wall Street ignoriert den Gestank aber noch gekonnt. Denn wenngleich die Spreads von Junk Bonds gegenüber Staatsanleihen zuletzt angezogen haben, ist der Großteil der Papiere damit bei weitem nicht adäquat bepreist. Der optionsbereinigte Risikoaufschlag des ICE BofA US High Yield Index gegenüber einer Treasury-Spotkurve hat im laufenden Monat mit 3,4 Prozentpunkten zwar den höchsten Stand seit Mitte September erreicht und sich gegenüber den zu Jahresbeginn erreichten Niveaus um einen Prozentpunkt ausgeweitet. Doch das Ende der Fahnenstange ist damit noch lange nicht erreicht, liegen die Spreads doch noch unter dem Durchschnittswert der vergangenen fünf Jahre.

Makro-Verwerfungen sorgen für Druck

Bisher hat sich die Spread-Ausweitung für viele Investoren noch nicht in Verluste übersetzt: Anleihe-ETFs hielten sich trotz zwischenzeitlicher Schwankungen zuletzt ungefähr auf den zu Jahresbeginn erreichten Niveaus. Umso übler dürfte Anlegern indes werden, wenn der ganze Müllhaufen im Hochzinssegment offenbar wird. Die Analysten von Goldman Sachs haben ihre Prognose für die Risikoprämien von Hochzinsanleihen gegenüber US-Staatsanleihen im dritten Quartal 2025 zuletzt von 2,95 auf 4,4 Prozentpunkte angehoben – und selbst das erscheint keineswegs als zu pessimistische Prognose. Zu Hochzeiten der Corona-Pandemie schoss der Spread des ICE BofA High Yield Index auf 10,87 Prozentpunkte – und aktuell zeichnen sich die größten makroökonomischen Verwerfungen seitdem ab.

„ class=
US-Präsident Donald Trump droht die amerikanische Wirtschaft in die Stagflation zu stürzen. Foto: picture alliance / Newscom | SHAWN THEW.

Das sollten auch Aktieninvestoren im Blick behalten, besteht zwischen der Entwicklung des S&P 500 und jener der Credit Spreads doch eine nahezu perfekte inverse Korrelation. Für eine Ausweitung der Risikoaufschläge im Ramschsegment und einen neuerlichen Absturz bei Dividendentiteln spricht die erratische Politik der Regierung in Washington. Zwar beginnt auch die aus Selbsterhaltungstrieb lange allzu optimistische Wall Street einzusehen, dass unter Donald Trump mitnichten das vom opportunistischen Autokraten im Weißen Haus besungene „Goldene Zeitalter“ angebrochen ist. Doch will ein zu großer Teil der Marktstrategen und Dealmaker noch immer nicht einsehen, dass bereits beschlossene und noch ausstehende Strafzölle die amerikanische Wirtschaft in die Stagflation zu stürzen drohen.

Schwächste Schuldner als Erstes betroffen

Gerade die hartnäckige Teuerung, der nach dem Inkrafttreten neuer protektionistischer Maßnahmen gegen US-Handelspartner im April abermals eine Beschleunigung winkt, bindet der Federal Reserve hinsichtlich einer Lockerung die Hände. Sie erschwert den Währungshütern nicht nur weitere Zinssenkungen, sondern dürfte auch dazu führen, dass sie ihren Bilanzabbau trotz Temporeduktion länger fortführen als erhofft. Der Liquiditätsentzug trifft die schwächsten Schuldner in der Regel als Erstes und am härtesten.

Zwar mögen laut Pitchbook weniger als 0,4% der 2024 begebenen Bonds zur Exit-Finanzierung oder zur Unterstützung von Unternehmen, die ein Insolvenzverfahren hinter sich lassen, gedient haben, während rund 70% zur Refinanzierung fälliger Kredite aufgelegt wurden. Daraus auf eine verbesserte Assetqualität zu schließen, ist bestenfalls Spekulation. Denn viele Unternehmen haben ihre alten Verbindlichkeiten zu strikteren Konditionen abgelöst und dürften damit künftig größere Schwierigkeiten haben, den Zinsdienst zu leisten.

Getrübte Wahrnehmung

Zudem haben einzelne große Transaktionen im Junk-Bond-Markt die Wahrnehmung der Wall Street in Bezug auf die Aufnahmebereitschaft der Investoren verzerrt. Dass Banken um Morgan Stanley milliardenschwere, zur Finanzierung der Twitter-Übernahme durch Elon Musk begebene Ramschkredite mehr als zwei Jahre nach dem Deal endlich zu minimalen Verlusten am Markt abladen können, hat beispielsweise nichts mit grundlegend robusteren finanziellen Konditionen zu tun. Grund dafür ist einzig der Opportunismus von Marktteilnehmern, die sich durch den großen Einfluss Musks innerhalb der Trump-Administration positive Effekte auf das Geschäftsimperium des Milliardärs erhoffen.

Der US-High-Yield-Bond-Markt mag seit den wilden Zeiten, in denen Häuser wie Drexel Burnham Lambert wachsenden, von der Wall Street zuvor ausgeschlossenen Unternehmen zu Emissionen verhalfen, erwachsener geworden sein. Doch führt dies dazu, dass abenteuerlustige Investoren in anderen Segmenten nach Rendite suchen – und dabei mit einigen der mit den größten Risiken behafteten Schuldnern im Private-Credit-Markt zusammentreffen. Dieser ist in den USA aber weit schwächer reguliert und für Anleger damit intransparenter als der öffentliche Kapitalmarkt. Üble Gerüche im Segment wehen damit noch später herüber als vom Müllhaufen der Hochzinsanleihen.