KommentarStaatsverschuldung

Der Spielraum wird immer enger

Die Schuldenquote ist ein guter Indikator für die Finanzlast von Staaten. Aber erst mit Blick auf die Pro-Kopf-Verschuldung wird das ganze Dilemma offenbar: Ohne Zuwanderung, mehr Wachstum und höhere Produktivität drohen Austerität und Inflation.

Der Spielraum wird immer enger

Staatsverschuldung

Der Spielraum wird immer enger

Von Stephan Lorz

Die Verschuldung von Bund, Ländern und Kommunen hat auch im Jahr 2023 weiter zugenommen auf inzwischen knapp 2,5 Bill. Euro. Bezogen auf den einzelnen Bürger sind das pro Kopf 28.943 Euro, wie das Statistische Bundesamt meldet. Die Dimension dieser Zahlen kann man besser erfassen, wenn man die Schulden ins Verhältnis zur gesamten wirtschaftlichen Leistung setzt. Die „Schuldenquote“ ist hierfür das Maß aller Dinge und wird für viele Bewertungen herangezogen, etwa, ob die europäischen Schuldenregeln eingehalten werden. Sie liegt aktuell bei knapp 64%. Werte unterhalb von 60% gelten unter Ökonomen als erstrebenswert, Werte über 90% als heikel, weil damit oft eine gewisse Eigendynamik in Gang gesetzt wird. Aber auch dieser Wert ist recht abstrakt. Anschaulicher wird es erst, wenn man die Pro-Kopf-Verschuldung und die Pro-Kopf-Wertschöpfung gegenüberstellt: Die Bruttowertschöpfung lag 2023 bei 4,12 Bill. Euro; pro Kopf sind das 48.750 Euro. Die „persönliche“ Schuldenlast von 28.943 Euro ist also schon recht nahe an die „persönliche“ Wertschöpfung herangerückt.

Für sich genommen gilt aber auch das noch als tolerierbar, zumal sich die Werte in den Jahren 2013 und 2019 ja auch schon mal wieder verbessert hatten. Doch der Pro-Kopf-Vergleich verweist auf einen wichtigen Umstand: Die finanzielle Tragfähigkeit von Schulden hängt unmittelbar an den Menschen, die das Wachstum in Schwung halten. In Zeiten der demografischen erwartbaren Schrumpfung der Bevölkerung braucht es dringend mehr Zuwanderung in die Erwerbsbevölkerung. Sonst schießt die Pro-Kopf-Verschuldung durch die Decke. Und insgesamt muss die Wirtschaft wieder stärker wachsen: durch kluge Investitionen, Innovationen, höhere Produktivität und den Aufschluss neuer Märkte. In allen drei Kategorien ging es zuletzt eher in die Gegenrichtung. Es ist also Zeit, aufzuwachen. Das Wachstum muss stärker als bisher geplant angekurbelt werden; und bessere Rahmenbedingungen für F&E müssen die Basis für künftiges Wachstum legen. Passiert das nicht, bleibt oft nur der Weg in Austerität und Inflationierung.

Mehr zum Thema:

Bericht zu den neuen Schuldenzahlen des Statistischen Bundesamts