LeitartikelQuantitative Straffung

Die Fed hält noch negative Überraschungen bereit

Die Federal Reserve dürfte ihren Bilanzabbau noch länger fortführen, als viele Ökonomen derzeit wahrhaben wollen. Für die Finanzmärkte sind damit noch Herausforderungen verbunden.

Die Fed hält noch negative Überraschungen bereit

US-Notenbank

Für die Fed geht es noch weitaus straffer

Von Alex Wehnert

Die Federal Reserve dürfte ihren Bilanz-
abbau noch länger fortführen, als es viele Ökonomen derzeit wahrhaben wollen.

Wer den Bilanzabbau der Federal Reserve für eine langweilige Übung hält, der sollte lieber noch einmal genauer hinschauen. Denn die US-Notenbank mag ihren Straffungskurs in den vergangenen zweieinhalb Jahren so unspektakulär und für Marktteilnehmer planbar wie möglich gestaltet haben. Doch wenngleich sie ihr Tempo dabei zuletzt reduziert hat und der Offenmarktausschuss angesichts der unklaren Finanzplanung der Treasury zuletzt eine weitere Verlangsamung des Quantitative Tightening erwog, dürften sich Prognosen über ein baldiges Ende des Bilanzabbaus doch als schwerwiegender Trugschluss erweisen. Dem Finanzsystem und den Märkten droht also noch ein Liquiditätsentzug, mit dem viele Investoren derzeit nicht rechnen.

Sinkende Teilnahme im Übernachthandel

Seit Mitte 2022 hat die Fed ihre Bilanzsumme von nahezu 9 auf rund 6,85 Bill. Dollar reduziert, um langfristigen inflationären Trends gegenzusteuern. Der Abbau drückt sich bisher vor allem in einer stark abnehmenden Teilnahme an der Overnight Reverse Repurchase Facility (ON RRP) der Fed aus: Summierten sich die täglichen Transaktionsvolumina Ende 2022 noch auf über 2,5 Bill. Dollar, brachen sie bis Mitte Februar auf rund 78 Mrd. Dollar ein. Die Übernachttransaktionen sollen dazu beitragen, die Geldmenge effektiv zu managen. In ihrem Rahmen kaufen Marktteilnehmer Wertpapiere wie US-Schatzwechsel von der Fed, die diese am nächsten Tag für einen höheren Preis zurückerwirbt. Die Differenz zwischen Kauf- und Verkaufspreis streichen beteiligte Geldmarktfonds als Zinserträge ein.

Vertrauen in Finanzsystem auf dem Spiel

Die Beteiligung an der Fazilität liegt nun zwar wieder auf Niveaus, die vor der Corona-Pandemie üblich waren – die bei der Fed hinterlegten Bankreserven summieren sich hingegen noch auf 3,2 Bill. Dollar und haben sich gegenüber den zu Beginn des Quantitative Tightening markierten Niveaus damit kaum verändert. Dies bedeutet, dass die Währungshüter noch viel Raum zur Straffung haben, wie auch Fed-Chef Jerome Powell zuletzt durchblicken ließ. Die Reserven, die Finanzinstitute bei der Fed halten, sind allerdings entscheidend für die Aktivität bei der Kreditvergabe am Interbankenmarkt. Und wie einfach Geldhäuser über diesen miteinander interagieren und wie effizient sie damit Risiken untereinander verteilen, ist von zentraler Bedeutung für das Vertrauen in die Stabilität des Finanzsystems allgemein.

Fed-Chef Jerome Powell hat durchblicken lassen, dass er durchaus noch Spielraum für einen weiteren Bilanzabbau der Fed sieht. Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Jose Luis Magana.

In einem Umfeld, in dem die Unabhängigkeit der Notenbank durch die Regierung in Washington gefährdet ist, gestaltet sich der Ausblick umso trüber. Präsident Donald Trump hat in der abgelaufenen Woche einen Exekutivbeschluss unterzeichnet, der die Entscheidungsfreiheit von Behörden wie der Fed oder der Börsenaufsicht SEC einschränken und diese zwingen soll, dem Weißen Haus Regulierungsentwürfe zur Prüfung vorzulegen und strategische Vorhaben mit dem Trump-Lager abzustimmen. Die Notenbank dürfte sich durch Angriffe auf ihre Aufsichtsfunktion eher bemüßigt sehen, ihre vom Präsidenten als zu restriktiv kritisierte geldpolitische Strategie fortzuführen, Treasuries sowie Mortgage-Backed Securities auf ihrer Bilanz abzustoßen und damit die Bankreserven nach unten zu treiben.

Repomarkt drohen Verwerfungen

Auf ihrem Kurs sieht sich die Fed indes auch durch ihre Standing Repo Facility (SRF) abgesichert. Diese stellte bis 2008 den üblichen Weg für Banken dar, ihren täglichen Liquiditätsbedarf zu managen. Nach dem Start des Quantitative Easing schaffte die Notenbank die SRF ab – um sie 2021 in Vorbereitung auf anstehende Straffungen wieder einzuführen. Im Rahmen der Fazilität geht die Fed Übernacht-Repogeschäfte mit ausgewählten Banken ein, die darüber aufgenommene Mittel bei Zinsanstiegen am regulären Repomarkt verleihen und somit Arbitrage einfahren können. Das dadurch geschaffene Cash-Angebot soll verhindern, dass die Raten auf Repogeschäfte wie während der Krise im Segment 2019 explodieren.

Wahrnehmung prägt die Realität

Doch sollten die Währungshüter im Kopf behalten, dass an den Finanzmärkten Wahrnehmung die Realität prägt. Das hat sich beim Taper Tantrum 2013 gezeigt, als allein die Andeutung eines langsameren Quantitative Easing zu einer Panik am Bondmarkt führte. Noch fallen die Bankreserven bei der Fed absolut betrachtet zwar weitaus höher aus als am Vorabend der Repo-Krise 2019. Relativ zum nominalen BIP der USA sind sie aber nicht mehr allzu weit von den damaligen Niveaus entfernt. Eigentlich gilt dies als Signal für die Fed, beim Bilanzabbau auf die Bremse zu treten. Doch aus den jüngsten Notizen zum Treffen des Offenmarktausschusses im Januar geht hervor, wie schwer sich die Notenbanker mit einem klaren Urteil zur Liquiditätssituation an den Märkten tun. Und generell ist die Geschichte der Fed hinsichtlich solcher Einschätzungen nicht gerade von Erfolgen geprägt. Verpasst sie beim Quantitative Tightening den richtigen Zeitpunkt zum Absprung und gehen die Bankreserven bald auch absolut und sichtbar zurück, droht dies die ohnehin gehörige Unsicherheit an den Finanzmärkten noch zu verschärfen.

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