Vermögensbildung

Die Last der Geldanlage

Die Sparquote bleibt auch bei negativen Realzinsen hoch, die Unterstützung der Politik für eine stärkere Aktienkultur jedoch eher schwach. Auch fehlendes Finanzwissen erschwert die Geldanlage.

Die Last der Geldanlage

Einlegen statt anlegen – dass die Deutschen mehr sparen und deutlich weniger in Wertpapiere investieren als andere Nationen, ist zwar keine Neuigkeit. Nun ist aber zu beobachten, dass sie daran selbst dann festhalten, wenn hohe negative Realzinsen ihr Vermögen mehr als nur anknabbern. Die vergangenen Jahre hatten bereits dokumentiert, dass die Bundesbürger ihr Geld selbst dann noch auf Bankkonten horten, wenn es dort keine Zinsen mehr abwirft. Sechs Jahre lang lag der Leitzins der EZB auf der Nulllinie. Trotzdem hielt sich die Sparquote der privaten Haushalte beständig über der Marke von 10%. In den Coronajahren 2020 und 2021 kletterte sie sogar auf mehr als 15% – lag damit deutlich über den Sparquoten der EU-Nachbarn, ganz zu schweigen vom Vereinigten Königreich und den USA.

Selbst als die Teuerungsrate in die Höhe schoss, gab es wenig Anzeichen dafür, dass die Deutschen zumindest mit einem Teil ihres Vermögens in Aktienfonds wechseln, um zu versuchen, die Geldentwertung mittelfristig in Schach zu halten. Sie blieben bei einer Sparquote von mehr als 10%. Dabei sind 1,3% Festgeldzins bei einer Euro-Teuerungsrate, die 2022 absehbar nahe 7% liegen wird, nicht wirklich ein gutes Geschäft. Die Fondsstatistik zeigt ebenfalls, dass die Wertpapieranlage selbst in Zeiten hoher Inflation nicht zwangsläufig floriert. Die Fondsgesellschaften in Deutschland verzeichneten im zweiten Quartal nur sehr überschaubare Zuflüsse bei Aktienfonds.

Das Deutsche Aktieninstitut hatte Anfang 2021 die Erwartung geschürt, die Aktienkultur in Deutschland werde spürbar gestärkt, weil vor allem die Jugend die Börse für sich entdecke. Nachdem 2020 die Zahl der Aktionäre und Aktionärinnen um 2,7 Millionen auf 12,4 Millionen Menschen nach oben gesprungen war, titelte das Aktieninstitut hoffnungsfroh:  „Deutschland und die Aktie – eine neue Liebesgeschichte?“. Heute muss man wohl eher von einer Romanze sprechen. Denn 2021 ging die Zahl der Kleinanleger bereits wieder um fast 300000 zurück. Von einem nachhaltigen Trend hin zur Aktie kann also nicht die Rede sein.

Leider ist die Unterstützung der Politik für eine Stärkung der Aktienkultur derzeit eher schwach. Zwar hat die Ampel den „Einstieg in eine teilweise kapitalgedeckte Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung“ angekündigt. Ob aber eine Aktienrente oder ein anderes Format der kapitalgedeckten Rente eingeführt wird, steht noch in den Sternen. Schließlich blieb auch die in der großen Koalition versprochene Deutschlandrente ein Papiertiger. Jüngst haben die FDP-Minister Christian Lindner und Marco Buschmann in ihren Eckpunkten des Zukunftsfinanzierungsgesetzes steuerliche Bonbons für private Aktionäre in Aussicht gestellt, etwa einen Freibetrag für Veräußerungsgewinne von Aktien. Es ist eine offene Frage, ob dies allein ausreicht, die Neigung zum Aktienerwerb spürbar zu stärken.

Unbeschadet von steuerlichen Anreizen und regulatorischen Vorgaben stellt sich in Zeiten hoher Geldentwertung indes mehr denn je die Frage, warum sich die Bundesbürger nicht aus eigenem Interesse stärker in Aktien engagieren – ja, warum sogar viele von ihnen, wenn man den Umfragen vertraut, das Thema Geldanlage als Last ansehen. Junge Menschen bewerten ihr Finanzwissen oft als mangelhaft – und tatsächlich offenbaren Prüffragen eklatante Lücken rund um Geld und Zinsen. Die Umfragen signalisieren zugleich, dass es nicht allein an Information fehlt, sondern auch an Motivation. Viele Bundesbürger zögern, sich mit ihrer Finanzplanung zu befassen – auch weil sie fürchten, dass sie dabei überfordert sein könnten. Dennoch wünscht eine große Mehrheit junger Menschen, in der Schule über Finanzfragen zu sprechen – und nicht erst in der Bank.

Die Aussicht auf ein Inflationsniveau, das sich in den nächsten Jahren deutlich über 2% festsetzen dürfte, verleiht dem Ruf, Finanzwissen stärker in der Schule zu verankern, neue Dringlichkeit. Gefragt ist dabei übrigens nicht die Diskussion volkswirtschaftlicher Modelle, sondern die Auseinandersetzung mit lebenspraktischen Finanzfragen. Dass ein Gros der Kunden Sorge vor Überforderung bei finanziellen Themen hat, muss zugleich Banken und Sparkassen zu denken geben, ob sie in ihrer Ansprache nicht dazu beitragen, dass finanzielle Entscheidungen als kompliziert empfunden werden. Einiges spricht für eine weitere Standardisierung und Vereinfachung der Produktwelt. Wie beim Restaurantbesuch: Nicht wenige bevorzugen die übersichtlich knappe Tageskarte beim Italiener gegenüber der 24-seitigen Speisekarte im China-Lokal.

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