Autoindustrie

Ein doppeltes E für mehr Klimaschutz

Porsche setzt auf Elektromobilität und ergänzend auf E-Fuels. Dass Porsche-Chef Oliver Blume nun auch an der VW-Konzernspitze steht, ändert an der Ausrichtung der Wolfsburger auf E-Autos nichts.

Ein doppeltes E für mehr Klimaschutz

Kurz bevor Porsche-Vorstandschef Oliver Blume am 1. September als Nachfolger von Herbert Diess den Chefposten im Vorstand des Volkswagen-Konzerns übernahm, sorgte er mit – erneuerten – Sympathiebekundungen für den Einsatz von E-Fuels, synthetischen Kraftstoffen für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren, für Aufsehen. Nur mit Elektromobilität seien die Ziele des Pariser Klimaabkommens nicht zu erreichen, sagte er dem Branchenblatt „Automobilwoche“. Zwar hatte sich Blume als Porsche-Chef bereits in den vergangenen Jahren für E-Fuels ausgesprochen, die nicht in Konkurrenz, sondern in Ergänzung zur E-Mobilität stünden. Dennoch sorgten seine Äußerungen wenige Tage vor Übernahme des in einer Doppelrolle wahrgenommenen Amtes in Wolfsburg für Spekulationen, unter Führung von Blume könne der Mehrmarkenkonzern die von Diess verfolgte Transformation zum Elektroauto modifizieren. „Kommt mit dem Chefwechsel bei VW eine neue Offenheit zum Verbrennungsmotor?“, fragte etwa Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des Duisburger CAR-Center Automotive Research.

Spekulationen

Die Spekulationen wurden genährt von Berichten über eine angebliche Einflussnahme Blumes auf den Koalitionsvertrag der Bundesregierung und auf Finanzminister Christian Lindner (FDP). Neben dem Vorhaben, Rahmenbedingungen und Fördermaßnahmen darauf auszurichten, dass Deutschland Leitmarkt für Elektromobilität mit mindestens 15 Millionen Elektro-Pkw im Jahr 2030 ist, und einem Hinweis auf Vorschläge der EU-Kommission, im Verkehrsbereich in Europa 2035 nur noch CO2-neutrale Fahrzeuge zuzulassen, enthält der Vertrag der Ampel-Koalition auch ein Bekenntnis zu E-Fuels. Zugleich erhielten synthetische Kraftstoffe im Zusammenhang mit den Formel-1-Plänen von Porsche und der ebenfalls zum VW-Konzern gehörenden Marke Audi Aufmerksamkeit. Da Audi den Verbrennungsmotor mit hohen Budgets für die Rennserie weiterentwickle und Porsche mit ihrem Formel-1-Motor eigenständig sein werde, gebe es zwei Großprojekte für Verbrennungsmotoren, konstatierte Branchenexperte Dudenhöffer, der über eine „Absicherungsstrategie“ des VW-Konzerns zur Risikominimierung bei den Antrieben spekulierte.

Mutmaßungen im Zusammenhang mit E-Fuels, die E-Auto-Strategie von Diess für den Konzern stehe vor einer Korrektur, erscheinen jedoch überzogen. Blume selbst sagte dem „Handelsblatt“, innerhalb des VW-Konzerns blieben E-Fuels vor allem ein Porsche-Thema – also für einen Hersteller, der 2021 rund 302000 Fahrzeuge auslieferte und einen Anteil von 3,4% an den gesamten Auslieferungen des VW-Konzerns erreichte. Am ersten Tag im Amt als neuer Konzernchef bekannte er sich vor Managern des Unternehmens nicht nur zu den strategischen und technologischen Weichenstellungen des bisherigen Vorstands, dem er selbst angehörte. Er bezeichnete sich auch als „Fan der E-Mobilität“, der „zu diesem Weg auch durch meine Arbeit bei Porsche“ stehe.

Der Sportwagenbauer, der derzeit einen Börsengang im Frühherbst vorbereitet, will 2030 mehr als 80% seiner Fahrzeuge mit vollelektrischem Antrieb ausliefern. Klimaschutz denke man bei Porsche aber „ganzheitlich“, so Blume. Daher setze man mit E-Mobilität und ergänzend E-Fuels „auf ein doppeltes E“. Als Beitrag zum Klimaschutz hält man in Stuttgart den Einsatz synthetischer Kraftstoffe über den Flug- und Schiffsverkehr hinaus für sinnvoll. Jedes Prozent E-Fuels als Beimischung im Kraftstoff könne den CO2-Ausstoß senken.

Der Verband der Automobilindus­trie (VDA) sekundiert und spricht sich wie Porsche mit Blick auf mehr Klimaschutz für Technologieoffenheit aus. „Wir benötigen E-Fuels, selbstverständlich auch für den Einsatz im Straßenverkehr“, so ein VDA-Sprecher. Weltweit gebe es rund 1,5 Milliarden Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor, in der EU seien es 275 Millionen. In Deutschland dürften nach Angaben des Verbandes im Jahr 2030, wenn das Ziel von 15 Millionen Elektroautos erreicht sein soll, immer noch mindestens 30 Millionen Pkw mit Benzin- oder Dieselmotor unterwegs sein. Angesichts des hohen Bestands, so ist man bei Porsche überzeugt, vollzieht sich der Hochlauf der E-Mobilität zu langsam, um die Pariser Klimaziele zu erreichen. Zudem entwickelten sich die unterschiedlichen Regionen der Welt unterschiedlich in Richtung E-Mobilität, so dass auch in Jahrzehnten noch Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren unterwegs sein würden.

Bedingungen

Die Befürworter argumentieren, mit E-Fuels könne der Verbrenner- Fahrzeugbestand einen Beitrag zur schnellen CO2-Reduktion leisten. Doch dafür wären Bedingungen zu erfüllen. So müssten synthetische Kraftstoffe erschwinglicher werden. Derzeit betragen die Kosten für einen Liter E-Fuel ein Vielfaches des Preises fossiler Kraftstoffe an der Zapfsäule. Wenn E-Fuels jedoch in einem industriellen Maßstab produziert würden, könnten die Kosten signifikant sinken, so die Erwartung beim Sportwagenbauer Porsche, der mit dem Aufbau einer Pilotanlage im Süden Chiles zur E-Fuels-Produktion im industriellen Maßstab zeigen will, dass die Technologie zur Produktion vom regenerativen Strom bis hin zum fertigen Rohkraftstoff funktioniert. Ein wesentlicher Faktor für die künftige Nachfrage synthetischer Kraftstoffe wäre neben dem Preis an der Tankstelle zudem die Besteuerung. Um wettbewerbsfähig zu werden, benötigten E-Fuels als klimaneutrale Kraftstoffe Steuervorteile.

Kritiker verweisen auf den hohen Verbrauch von Strom, der aus regenerativen Quellen stammen muss, bei der Herstellung des künstlich produzierten Sprits. Bemängelt werden hohe Wirkungsverluste bei der Produktion von E-Fuels aufgrund der zahlreichen einzelnen Schritte. Andere Hersteller zeigen sich vor diesem Hintergrund reservierter zum Einsatz von E-Fuels im Autoverkehr.

Auch die Premium-Autobauer Mercedes-Benz und BMW heben die Bedeutung von E-Fuels hervor, damit die Bestandsflotte der mit Verbrennungsmotor ausgestatteten Fahrzeuge weniger CO2 ausstößt. Mercedes-Benz weist darauf hin, dass die synthetischen Kraftstoffe für Schiffe und Flugzeuge eine Lösung sein könnten, beurteilt den Einsatz für Pkw aber skeptisch. „Aus Gründen der Energieeffizienz ist es dennoch am besten, grünen Strom direkt in die Batterie zu laden“, heißt es. „Eine Umwandlung grünen Stroms in E-Fuels ist ein Prozess, bei dem die Energieeffizienz sinkt.“ Das deckt sich mit Ergebnissen einer Studie des VDE Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik (siehe Grafik).

Mercedes-Benz hat sich für die Zukunft inzwischen klar der Elektromobilität mit Batterie verschrieben. Von 2030 an sollen in allen Märkten, in denen es möglich ist, nur noch Elektroautos angeboten werden. BMW verfolgt das Ziel, spätestens 2030 solle jeder zweite dann produzierte BMW ein reines Elektroauto sein, der Vorstand plädiert aber auch für Technologieoffenheit. Dazu zählen neben der Batterie die Brennstoffzelle und E-Fuels für den Verbrennungsmotor. Erst in diesen Tagen hat das Unternehmen in Garching bei München die Produktion eines Systems mit Brennstoffzellen von Toyota offiziell gestartet. Noch in diesem Jahr sollen die ersten Testfahrzeuge des Wasserstoff-BMW X5 auf die Straße kommen. Zum Thema E-Fuels heißt es, BMW befürworte „grundsätzlich alle nachhaltigen Kraftstoffe und prüft die Kompatibilität mit Verbrennungsmotoren“. Schon heute seien die Antriebe für höhere Anteile regenerativer Kraftstoffe freigegeben. Als Beispiele werden Diesel mit bis zu 10 % Biodiesel (B10) und Benzin mit 25 % Ethanol (E25) genannt.

Im europäischen Herstellerverband Acea sorgten E-Fuels in diesem Sommer für einen Konflikt. Präsident des Verbands ist BMW-Chef Oliver Zipse. Mit der Technologieoffenheit des Acea sind Stellantis und Volvo nicht einverstanden. Beide kündigten an, den Verband zu verlassen. Die zwei Unternehmen sind entschlossen, von 2030 an nur noch Elektroautos auf den Markt zu bringen.

Von Joachim Herr und Carsten Steevens

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