Gegenzölle haben mehr als nur Nebenwirkungen
Handelsstreit
Mehr als nur Nebenwirkungen
Von Detlef Fechtner
Die handelspolitischen Sorgen, die aktuell in Brüssel umgehen, finden in zwei Worten ihren Ausdruck, die derzeit die Gespräche dominieren. Natürlich „tariffs“, also Zölle, denn die Zollansagen aus dem Weißen Haus sind ja der Ausgangspunkt aller bereits sichtbaren Turbulenzen an den Märkten und aller absehbaren Verwerfungen im Warenverkehr und für die Produktion. Aber ebenso ist der Begriff der „trade diversion“, also die Umlenkung von Warenströmen, immer öfter zu hören, wenn es um die Risiken des Handelskonflikts für Europa geht.
Gefahr für Europa
Seit Monaten diskutieren die Handelsexperten der EU-Kommission, wie groß die Gefahr ist, dass China mit vielen Produkten, die das Land bislang in die Vereinigten Staaten liefert, den europäischen Markt fluten sollte. Im Grunde sind die Fachleute in Brüssel überzeugt, dass es sich aus Sicht der Europäischen Union bei den „indirekten Effekten“ der US-Zölle nicht nur um überschaubare Nebenwirkungen handeln dürfte, sondern dass die Folgen umgelenkter Warenströme ähnlich erheblich oder gar noch problematischer für die EU-Volkswirtschaften werden könnten als die direkten Zolleffekte.
Na klar, sicher vorauszusagen ist das nicht. Schließlich sind die Bedarfe zwischen Helsinki und Athen ganz andere als im Mittleren Westen. Bei vielen Produkten dürfte eine schlichte Umleitung überhaupt nicht funktionieren. Zudem hat die EU ja handelspolitische Werkzeuge, um sich gegen eine mögliche Warenflut zu Dumpingpreisen zu wehren. Kein Zufall, dass EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen gerade eine Task Force einsetzt, die gezielt Marktbewegungen überwacht, damit im Falle eines Falles Abwehrmaßnahmen wie Zölle oder Kontingente zügig beschlossen werden können.
Geschlossenheit ist das A und O.
Aber: Der Punkt, mit dem für die EU alles steht und fällt, ist ihre Geschlossenheit. Und die dürfte gegenüber China noch etwas schwerer herzustellen sein als gegenüber den USA. Denn es ist einfacher, die Reihen zu schließen, wenn es darum geht, auf einen herumpolternden US-Präsidenten zu reagieren als auf das „stille“ Hochfahren staatlich subventionierter Exporte Chinas in die EU.