Big Tech

Geld schießt keine Tore (mehr)

Big Tech kämpft zunehmend mit einem Innovationsstau. Der Ausweg, gute Ideen einfach zu kaufen, wird von den Behörden aber neuerdings versperrt.

Geld schießt keine Tore (mehr)

Wenn im Fußball in einem Top-Liga-Verein die eigene Talentschmiede nicht genügend Spitzenspieler hervorbringt, damit der Club im Wettbewerb die Stellung halten kann, wird – wo möglich – gern tief in die Tasche gegriffen, um der eigenen Schwäche mit einem millionenschweren Spielertransfer abzuhelfen. Das hat mitunter zur Folge gehabt, dass der Verein mit den tiefsten Taschen die meisten Tore schießt, eine Entwicklung, die bei echten Fans nicht nur Begeisterung auslöst. Ähnlich unsportlich geht es seit einiger Zeit bei Big Tech zu. Die US-Technologieriesen wie Microsoft, Apple, Google (Alphabet) oder Facebook (Meta), die ihren Aufstieg ursprünglich bahnbrechenden Innovationen wie Windows, iPhone, Internet-Suche oder dem ersten sozialen Netzwerk verdanken, haben daraus zwar milliardenschwere Geschäftsmodelle entwickelt; sie mussten aber feststellen, dass sie mit der Innovationskraft junger Firmen im Schmelztiegel des Silicon Valley oder andernorts aus eigener Kraft nicht überall mithalten können.

So kämpft die in Meta umfirmierte Facebook schon seit einigen Jahren darum, beim Aufbruch ins Metaverse das Heft des Handelns in der Hand zu behalten. Dafür scheut der Konzern auch keine Investitionen in zweistelliger Milliardenhöhe, ohne dass allerdings für die Anleger auch nur auf einem Zeitstrahl erkennbar würde, wann die Ausgaben sich auszahlen. Trotz prall gefüllter Kasse und eines riesigen Datenschatzes macht der Konzern insbesondere bei neuen Programmen mit künstlicher Intelligenz (KI) nicht schnell genug Fortschritte, um der globalen Nutzer-Community jenseits der VR-Brille Oculus Anwendungen zu präsentieren, die auf dem Sprung ins Metaverse eine Initialzündung darstellen könnten. Ähnlich schwer tut sich Microsoft. Speziell bei der Gates-Company ist in der Vergangenheit wiederholt der Eindruck entstanden, dass sie vor allem dann erfinderisch war, wenn es galt, neue innovative Technologien und die dahinterstehenden Unternehmen aus dem Markt zu drängen. Allerdings hat sich auch der Windows-Konzern in jüngster Zeit häufiger dafür entschieden, lieber mit Geld Tore zu schießen. So will Microsoft Milliarden in die Organisation, die hinter dem KI-Programm ChatGPT steht stecken, um die eigene Position bei diesen Zukunftstechnologien zu stärken und vor allem im Wettbewerb mit Alphabet aufzuholen. Allerdings sieht der Konzern offenbar Konfliktpotenzial und will zwar stark engagiert sein, aber unter 50% an OpenAi bleiben. Auch hier ist somit noch nicht konkret erkennbar, wie das Unternehmen und seine Aktionäre profitieren.

Daher bevorzugt Big Tech in der Regel auch den Weg, die fehlende eigene Innovationskraft direkt durch Zukäufe zu beleben und damit junge Unternehmen mit neuen Ideen unter die eigene Kontrolle zu bringen. Während technologisch motivierte Akquisitionen als solches kein Novum, sondern in der Marktwirtschaft gang und gäbe sind, stößt die M&A-Strategie der US-Tech-Riesen den Kartellwächtern seit einiger Zeit sauer auf. So haben die vor Jahren von den Behörden völlig unbeachteten Übernahmen von Whatsapp und Instagram durch die damalige Facebook im Bereich sozialer Netzwerke ein extrem dominantes Schwergewicht und eine Datenkrake geschaffen, dem andere und vor allem junge Firmen schwer Paroli bieten können. Auch Microsoft hat der Zukauf von Linkedin auf einen Schlag zu einer marktmächtigen Stellung in einem neuen Geschäftsfeld verholfen.

Diese Entwicklungen haben die Wettbewerbshüter alarmiert. Sie nehmen Akquisitionen im Technologiesektor inzwischen mit mehr Weitblick auf den Radarschirm. Das gilt nicht nur für Big Deals in stark wachsenden Schlüsselbranchen. Auch vermeintlich kleine Zukäufe bleiben nicht mehr unter der Wahrnehmungsschwelle. So klagt die US-Kartellbehörde­ FTC gegen den Kauf des VR-Spezialisten Within, den Meta sich 400 Mill. Dollar kosten lassen will – mit dem offenen Eingeständnis, nichts Vergleichbares entwickeln zu können. Einen ähnlichen Talentmangel offenbart Microsoft, die ihre Gaming-Sparte mit der – in diesem Fall 60 Mrd. Dollar schweren – Übernahme von Activision Blizzard stärken will. Dem Xbox-Hersteller ge­lingt es nicht, im Online-Gaming zeitnah Fuß zu fassen. Die EU hat sich bereits gegen den Deal gestemmt, die britischen Behörden haben ihn just aufs Korn genommen. Das ist für Microsoft kein gutes Zeichen. Die Briten haben sich bei Big Tech bisher schon als Hardliner präsentiert. Ihr Votum war der Sargnagel für den geplatzten Mega-Deal von Nvidia, die Arm kaufen wollte, um bei KI-Chips in eine neue Liga vorzustoßen. Der geplante Kauf eines Schlüsselunternehmens für Zukunftstechnologien erwies sich im Nachhinein als Weckruf für die Öffentlichkeit. Für Big Tech hat die 40-Mrd.-Dollar-Offerte von Nvidia letztlich nur ein Eigentor geschossen.

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