Mortgage Backed Securities

Gewitter­gefahr am US-Hypotheken­markt

Die Hypothekenzinsen in den USA haben in den vergangenen Monaten stark angezogen. Investoren im Segment der Mortgage Backed Securities fürchten nun zunehmende Defaults.

Gewitter­gefahr am US-Hypotheken­markt

Am US-Hypothekenmarkt braut sich ein Gewitter zusammen. Sorgte die ultralockere Geldpolitik der vergangenen Jahre in Kombination mit dem coronabedingten Homeoffice-Trend 2020 und 2021 für extrem sonnige Tage im Immobiliensegment, steuern Mortgage Backed Securities (MBS) auf ihr schwächstes Jahr seit Beginn der Datenerfassung zu. Trotz des starken Anstiegs der Treasury-Renditen haben sich die Spreads der hypothekenbesicherten Wertpapiere gegenüber US-Staatsanleihen noch ausgeweitet.

Ein Bloomberg-Index für das Segment hat 2022 bisher lediglich zwei Monate mit einer positiven Überschussrendite abgeschlossen. „Der MBS-Sektor hat nun die schmachvolle Auszeichnung erworben, den Unternehmensanleihebereich als Segment mit den schlechtesten Überschuss­renditen am gesamten US-Bond­markt im bisherigen Jahresverlauf abgelöst zu haben“, kommentieren die Analysten von Bloomberg Intelligence. Die Schwäche sei besonders auffällig, da die Spread-Duration – also die zu erwartende Kursänderung einer Anleihe infolge sinkender oder steigender Risikoaufschläge – für MBS im Durchschnitt niedriger ausfalle als für Corporates.

Risikopapiere unter Druck

Dass die Furcht der Investoren vor Defaults am Hypothekenmarkt steigt, lässt sich indes besonders gut an den jüngsten Abverkäufen bei Credit Risk Transfers (CRTs) ablesen – dabei handelt es sich um von den Hypothekenbanken Fannie Mae und Freddie Mac begebene Wertpapiere. Im Kontrast zur Praxis bei anderen MBS stellen die Institute bei CRTs keine Garantien für Kreditausfälle. Somit richten sich CRTs an Investoren, die es auf der Suche nach hohen Erträgen in Kauf nehmen, schon bei moderaten Anstiegen der Default-Raten Verluste zu erleiden. Großflächige Abverkäufe dieser Wertpapiere gelten daher als Indikator für einen nachhaltigeren Abschwung im Immobiliensegment.

Den Anstieg der Zinsen auf Festhypotheken führen Analysten auf das trübe Konjunkturbild und die restriktive Geldpolitik der Federal Reserve zurück. Laut Freddie Mac sprang der durchschnittliche 30-jährige Satz Ende Oktober erstmals seit zwei Jahrzehnten auf 7%. Die Investmentfirma American Century glaubt, dass die Fed höhere Hypothekenzinsen in Kauf nimmt, da diese entscheidend dazu beitragen könnten, den Inflationsdruck zu verringern.

Dass Finanzierungen damit für einen bedeutenden Teil der Gesellschaft weniger erschwinglich werden, zeigt sich auch an den Quartalszahlen der Mr. Cooper Group, die Finanzdienstleistungen rund um Einfamilienhäuser anbietet. Zwischen Juli und September finanzierte das Unternehmen 21847 Hypothekenkredite im Gegenwert von 5,7 Mrd. Dollar – so niedrig fiel das Volumen seit dem ersten Quartal 2019 nicht aus. Vor einem Jahr hatte es sich noch auf 20 Mrd. Dollar belaufen.

Dass sich die Abkühlung derzeit fortsetzt, ist auch bei Wells Fargo ersichtlich. Laut Insidern hatte die Bank in den ersten Wochen des laufenden Quartals 18000 Hypothekenkredite in der Retail-Vergabepipeline. Gegenüber dem Vorjahreszeitraum würde dies einen Rückgang um bis zu 90% bedeuten. Bereits im Oktober warnte Wells Fargo vor Herausforderungen am Immobilienmarkt und weiteren möglichen Erlösrückgängen im Hypothekengeschäft während des Schlussquartals.

Das Finanzinstitut ist diejenige unter den sechs größten US-Banken, die historisch am stärksten vom Mortgage-Markt abhängig war. Unter dem seit 2019 amtierenden CEO Charlie Scharf arbeitet Wells Fargo allerdings daran, ihre Präsenz im Hypothekengeschäft zu reduzieren. Im Frühjahr begann die Bank mir Entlassungen in der Sparte, nachdem die Fed ihre geldpolitische Wende eingeleitet hatte – angesichts der Kreditvergabeschwäche fürchten Mitarbeiter nun weitere Kündigungen.

Spreads weiten sich aus

Der zunehmend stärkere Druck auf den US-Immobilienmarkt macht auch CRTs weniger attraktiv. Die Kurse der Wertpapiere sinken, die Risikoaufschläge gegenüber Treasuries weiten sich unterdessen aus. Der Credit- und optionsbereinigte Spread bewegt sich gemäß dem US Mortgage High Yield Index des Analysedienstleisters Andrew Davidson auf Niveaus, wie sie kurz nach dem allgemeinen Corona-Marktcrash im Frühjahr 2020 gesehen wurden.

Angesichts solcher Warnsignale ziehen Beobachter schnell Parallelen zur Subprime-Krise ab 2007, während der Zusammenbrüche im aufgeblähten US-Immobilienmarkt auf das gesamte Banken- und Finanzsystem übergriffen. Experten betonen allerdings auch, dass die Marktrisiken heute besser unter Kontrolle seien als vor dem großen Crash von 2008. Waren Fannie Mae und Freddie Mac damals auf Rettungspakete angewiesen, haben sie seither unter staatlicher Aufsicht operiert und die Hilfen zurückgezahlt. Die Institute ließen ihre Portfolios nach der Krise stark schrumpfen und erhöhten die Kreditstandards für die Hypotheken, bei denen sie Garantien leisten.

Unterdessen sind die CRTs, deren Abverkäufe zuletzt die Sorge manches Beobachters geweckt haben, eigentlich auch Teil der Gefahrenprävention. Denn Freddie Mac und Fannie Mae nutzen die Finanzinstrumente, um Default-Risiken an den Markt weiterzugeben und zu verhindern, dass Ausfälle den Steuerzahler belasten.

Trotz möglicherweise gesunkener Systemrisiken warnen Analysten aber davor, den Abschwung im Hypothekensegment auf die leichte Schulter zu nehmen. Schließlich be­träfen steigende Zinsen nicht nur die Finanzierungsaktivität bei Bestandsimmobilien, sondern lasteten auch auf der Bauwirtschaft sowie den Verkäufen von Baumaterialien und somit auf dem gesamten Konjunkturausblick.

Volatilität entscheidend

Wie sich die Hypothekensätze weiterentwickeln, ist laut Bloomberg Intelligence stark von der Volatilität am Gesamtmarkt abhängig. Diese sei zuletzt nahe an die Niveaus herangerückt, die sie nach der Finanzkrise von 2008 erreicht hatte – nach diesem starken Anstieg sei auch wieder Potenzial für einen Rückgang der Schwankungen vorhanden. Folgten die optionsbereinigten Spreads im Hypothekensegment der Gesamtmarktvolatilität abwärts, könnten MBS im Schlussquartal einen Teil ihrer Verluste aufholen.

Dieser Ausblick fußt allerdings auf mehreren Eventualitäten und ist damit äußerst unsicher. Derzeit deutet jedenfalls wenig auf nachhaltig niedrigere Marktschwankungen hin. Auch eine lockerere Geldpolitik der Federal Reserve bahnt sich nicht an – und solange die Währungshüter entschlossen seien, die hohe Teuerung zu bekämpfen, dürften laut American Century auch die Hypothekenzinsen steigen. Die Gewittergefahr am US-Markt bleibt also hoch.

Von Alex Wehnert, Frankfurt

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.