Investoren blüht die Rache der Glorreichen Sieben
US-Aktienmarkt
Die Rache der Glorreichen Sieben
Von Alex Wehnert
Die starken gegenseitigen Abhängigkeiten im Big-Tech-Segment sollten Anlegern schwer zu denken geben.
Investoren sind bezüglich der starken Konzentration im US-Aktienmarkt noch nicht besorgt genug. Dass sieben Aktien ein Drittel der Marktkapitalisierung des S&P 500 ausmachen, mag für Anleger keine neue Information sein, doch die Auswirkungen auf die Performance und die Konsequenzen für den Gesamtmarkt sind nicht zu unterschätzen. Im zu Ende gehenden Jahr hat die US-Benchmark bisher nahezu ein Viertel an Wert gewonnen – der S&P 500 Equal Weight, in dem die Mitglieder allesamt mit 0,2% allokiert werden, hat im gleichen Zeitraum um vergleichsweise magere 10% zugelegt. Um sich auszumalen, welche Konsequenzen der Wall Street bei einem Ende des Höhenflugs im Big-Tech-Segment drohen, braucht es eigentlich nicht viel Vorstellungskraft. Und dennoch tragen große Vermögensverwalter wie Blackrock und Amundi auf geradezu unverantwortliche Weise zu einer Verschärfung der Konzentrationsrisiken bei, indem sie neue, hoch fokussierte US-Mega-Cap-ETFs an den Start bringen.
Stärkster Sektorfokus seit Jahrzehnten
Dabei ist der S&P 500 schon so stark auf einen Sektor verdichtet wie seit den 1950er Jahren nicht. Nahmen damals Energie- und Rohstoffunternehmen nahezu 40% im US-Leitindex ein, kommt die IT-Branche heute auf eine ähnliche Gewichtung. Das sollte Anlegern umso mehr zu denken geben, als innerhalb des Big-Tech-Sets noch weit stärkere gegenseitige Abhängigkeiten bestehen als in vielen anderen Branchen. Das wird im Zuge des Hypes um künstliche Intelligenz, dem entscheidenden Treiber der Aktienrally, deutlich.
Die Halbleiter von Nvidia gelten als wichtigste Grundlage des Booms, allerdings ist der Chipentwickler auch stark von seinen größten Kunden abhängig. So hat allein Microsoft nach Berechnungen der Technologieberatung Omdia im laufenden Jahr 485.000 Grafikprozessoren der „Hopper“-Reihe bestellt und damit mehr als doppelt so viele wie der nächstgrößere Abnehmer Meta Platforms. Abseits des Big-Tech-Kreises sind die Verkaufszahlen deutlich geringer. Sollte einer der Großkunden ausfallen, würde das an den Märkten umjubelte Umsatzwachstum des Chipentwicklers einen empfindlichen Dämpfer erhalten.
Investitionsausgaben müssen sich nicht auszahlen
Noch mögen viele Fondsmanager, die ihre Portfolios nur scheinbar aktiv managen und in Wahrheit extrem nah an der Zusammensetzung des S&P 500 oder gar des Nasdaq 100 kleben, die verbundenen Risiken herunterspielen. Schließlich sitzen die Technologieriesen noch auf gewaltigen investierbaren Cash-Beständen. J.P. Morgan geht davon aus, dass allein die sogenannten „Glorreichen Sieben“ ihre Investitionsausgaben 2025 auf insgesamt 500 Mrd. Dollar ankurbeln. Doch schlägt sich diese Gießkannentaktik nicht zwangsläufig in höheren Returns für Aktionäre nieder – historisch gesehen ist eher das Gegenteil der Fall, sparsame Unternehmen schneiden langfristig besser ab. Und auch fundamental ist nicht gesagt, dass die Kapitalaufwendungen Ergebnisse abwerfen.
Abseits vom Kerngeschäft volatil
Die jüngsten Quartalszahlen von Nvidia aus dem November machen bereits deutlich, wo die Hoffnungstechnologie KI an ihre Grenzen stößt. Denn die Nachfolger der „Hopper“-Chips aus der neuen „Blackwell“-Reihe sind unglaublich komplex aufgebaut. Der Defekt eines einzelnen Teils kann den ganzen 40.000-Dollar-Prozessor unbrauchbar machen und die viel beachtete Produktionsrendite schwer belasten. Müssen die Technologieriesen künftig größere Teile ihrer Chipinvestitionen abschreiben, wird die ökonomische Realität sie irgendwann zu einem vernünftigeren Ausgabeverhalten zwingen. Und kann Nvidia die versprochene Leistung in nicht allzu ferner Zukunft nicht mehr vollumfänglich liefern, werden die anderen Geschäftsbereiche von Big Tech abseits von Datenzentren stärker in den Fokus rücken – und Erlöse aus dem Werbe- oder E-Commerce-Markt haben sich zuletzt volatil entwickelt.
Das Bild der „Glorreichen Sieben“ droht dann auf andere Weise zu passen als bisher intendiert. Denn als Hauptdarsteller Yul Brynner alias Nvidia bei der gleichnamigen Western-Reihe nicht mehr mitmachte, wurden die restlichen Teile zu von der Kritik verrissenen Flops. Der erste Film der Tetralogie ohne Brynner heißt auf Deutsch übrigens „Die Rache der Glorreichen Sieben“ – die blüht bald auch allzu optimistischen Investoren.