LeitartikelRiesiger Schuldenberg

Italien ist ein Schuldenstaat

Italiens haushaltspolitische Lage ist katastrophal. Vor allem die staatlichen Hilfen für die ökologische Sanierung von Wohnungen und Häusern laufen völlig aus dem Ruder. Ohne die Hilfe Europas wird es nicht gehen.

Italien ist ein Schuldenstaat

Unseriöse Politik

Schuldenstaat Italien

Roms Haushaltspolitik läuft aus dem Ruder

Von Gerhard Bläske

Zwischen dem zuletzt positiven Bild Italiens auf internationaler Ebene und der wirklichen Lage des Landes tut sich eine riesige Kluft auf. Premierministerin Giorgia Meloni versteht es geschickt, sich als europafreundlich zu profilieren. Zugute kommt ihr auch, dass sie erstmals seit Jahrzehnten einer Regierung vorsteht, die bis zum Ablauf der Legislaturperiode 2027 halten könnte. Diese Stabilität ist in einem Umfeld schwacher Regierungen in Paris, Den Haag, Berlin oder Madrid eine große Ausnahme.

Die Marktreaktionen sind überschwänglich. Der Aktienmarkt eilt von Rekord zu Rekord und hängt sogar die Nasdaq ab. Der Zinsabstand (Spread) zwischen deutschen und italienischen Staatsanleihen hat sich seit Melonis Amtsantritt fast halbiert. Kleinanleger und internationale Investoren reißen Rom Staatsanleihen aus den Händen.

Doch das Vertrauen in Italien ist nicht gerechtfertigt. Die haushaltspolitische Lage ist katastrophal, aber die Regierung verheimlicht unangenehme Nachrichten in ihrer soeben vorgelegten Vorausschau. Die Wirtschaft wächst zwar. Doch das liegt vor allem an Konjunkturprogrammen, die historisch einzigartig sind. Italien ist mit mehr als 190 Mrd. Euro nicht nur größter Nutznießer des Europäischen Wiederaufbauprogramms NextGeneration. Dazu kommt ein weiteres nationales Konjunkturprogramm, das sogar noch größer ist, dessen finale Kosten aber unabsehbar sind. Derzeit werden sie auf 220 Mrd. Euro geschätzt – 10% (!) des Bruttoinlandsprodukts. Dabei handelt es sich um weltweit einzigartige Zuschüsse für die ökologische Sanierung von Wohnungen und Häusern. Der Staat übernimmt die Kosten vollständig. Die Hilfen kommen vor allem Gutverdienern zugute.

Der gewaltige Schuldenanstieg wird kaschiert, weil die hohe Inflation das nominale Wachstum 2023 aufgebläht hat und die Verschuldung im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt deshalb sogar gesunken ist. Das Defizit ist für 2023 gegenüber ursprünglichen Planungen von 4,5% auf 7,2% nach oben korrigiert worden, könnte aber nach Schätzungen von Ökonomen sogar 10% erreichen. Wirtschafts- und Finanzminister Giancarlo Giorgetti weiß das selbst nicht so genau. Trotzdem hat er die Hilfen in abgespeckter Form verlängert, statt die Notbremse zu ziehen.

Giorgetti tut so, als könne er aus dem Füllhorn schöpfen, und hat eine völlig unseriöse Finanzplanung vorgelegt. Er geht von einer Wachstumsrate von 1% aus, die deutlich über den Schätzungen der EU und der Banca d`Italia liegt. Vor allem aber berücksichtigt er die von der Regierung geplanten Steuersenkungen und renten- sowie familienpolitischen Wohltaten nicht, die sich für 2024 auf mindestens 20 bis 25 Mrd. Euro addieren.

Das ist unredlich. Wie er ohne drastische Einsparungen in diesem Jahr das Defizit auf 4,3% reduzieren will, bleibt sein Geheimnis. Selbst unter seinen optimistischen Grundannahmen würde der Schuldenstand von 137,3% bis 2026 auf annähernd 140% steigen. Rom hat angesichts der Kostenexplosion bei den Hilfen sowie eines Schuldendienstes, der 2024 um etwa 10 Mrd. Euro auf 90 Mrd. Euro steigen wird, keinen handlungspolitischen Spielraum – tut aber so.

Es war zwar eine Linksregierung, die die großzügigen Hilfen eingeführt hat. Doch die heutigen Regierungsparteien klatschten dazu Beifall. Giorgetti räumt offen ein, dass Rom gegen die Regeln des neuen Stabilitäts- und Wachstumspakts verstoßen wird. Wie er die riesigen Haushaltslöcher stopfen will, ist unklar. Rom hofft, dass Brüssel etwa Investitionen in Rüstung, Digitalisierung oder die Energiewende nicht berücksichtigt.

Noch haben die Märkte Vertrauen in Rom. Spannend werden die Urteile der Ratingagenturen sein. Obwohl Italien viele europäische Richtlinien und Reformen nicht umsetzt und die Reform des Europäischen Stabilitäts-Mechanismus blockiert, setzt Meloni auf die Hilfe Europas. Im schlimmsten Fall würde die Europäische Zentralbank die Staatsanleihen aufkaufen. Noch ist es nicht so weit. Doch Italien lebt über seine Verhältnisse. Das dürfte bald auch den Märkten bewusst werden.

Italiens haushalts- politische Lage ist katastrophal. Unbequemes wird verschwiegen. Ohne die Hilfe Europas wird es nicht gehen.

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