US-Investmentbanken

Lehrstunde in Sachen Demut

Die Liquiditätsverknappung an den Finanzmärkten dürfte auch 2023 ein schwieriges Dealumfeld bedingen. Die Investmentbanken der Wall Street haben zudem mit härterem Wettbewerb von außen zu kämpfen.

Lehrstunde in Sachen Demut

­Den Investmentbankern an der Wall Street steht 2023 eine neue Lehrstunde in Sachen Demut bevor. Denn die Federal Reserve ist im Ringen um Preisstabilität trotz einer zuletzt abgeschwächten Inflation noch lange nicht am Ziel, wie auch aus dem am Mittwoch veröffentlichten Protokoll zur Dezember-Sitzung der Währungshüter hervorgeht. Vor dem Notenbankertreffen kursierte noch die Hoffnung, die Fed könne mittelfristig einen lockereren Kurs einschlagen, um die Wirtschaft nicht abzuwürgen. Inzwischen dürfte klar sein: Zinssenkungen wird es im laufenden Jahr nicht geben – und die anhaltend angespannte Liquiditätssituation dürfte ein schwieriges Dealumfeld bedingen. Wie schmerzhaft dies für Investmentbanker noch werden könnte, dürfte den „Masters of the Universe“ bereits während der anstehenden Bonusrunden für 2022 deutlich werden. Häuser wie J.P. Morgan, Citigroup oder Bank of America werden ihre Pools für variable Vergütungen laut Insidern um 30% kürzen, bei Goldman Sachs soll gar ein Schnitt um 40% beschlossen sein. Trader, die von der hohen Volatilität an den Kapitalmärkten und dementsprechend hohen Handelsvolumen profitiert haben, dürften dabei noch fein raus sein. Umso stärker wird dagegen laut der Beratungsgesellschaft Johnson Associates der Rückgang der Boni für Dealmaker ausfallen.

Erschwerend kommt dabei hinzu, dass die Banken ihr Personal zu Pandemiezeiten aufgestockt haben, um den Anstieg an Transaktionen bewältigen zu können – zugleich behielten viele Mitarbeiter mit schwacher Performance ihren Job. Nun dürfte eine harsche Korrektur erfolgen: Bereits Mitte Dezember machten Berichte die Runde, gemäß denen Goldman über verschiedene Abteilungen hinweg bis zu 4000 Angestellte entlassen will, Morgan Stanley kürzte die globale Belegschaft zuletzt bereits um 2%. Drastische Maßnahmen sind nur folgerichtig, nachdem die Gebühreneinnahmen aus der Dealberatung sowie dem Geschäft mit Aktien- und Anleiheemissionen im vergangenen Jahr eingebrochen sind – der Blick nach vorne offenbart dabei kein rosigeres Bild.

Denn die Capital-Markets-Teams an der Wall Street haben nicht nur mit einem Umfeld knapper Liquidität und anhaltender Rezessionssorgen zu kämpfen, sondern auch mit härterem Wettbewerb von außen. Denn die bei weitem überwiegende Zahl der Leveraged Buy-outs (LBOs) wird inzwischen über die Private-Credit-Märkte finanziert. Zwischen dem 1. Oktober und dem 8. Dezember zählte der Datendienstleister Pitchbook in den USA 46 solcher Deals – dem stand eine einzige Transaktion gegenüber, die sich über den Markt für syndizierte Kredite speiste. Natürlich sind die Investmentbanken nicht vom Private-Credit-Segment ausgeschlossen, auf dem Geldgeber direkt mit Unternehmen interagieren und auf dem die vergebenen Kredite nicht darauf ausgelegt sind, über einen Sekundärmarkt gehandelt zu werden. Doch der Trend weg von der Vermarktung über Fremdkapital finanzierter Deals an eine breite Investorenöffentlichkeit ist für die Wall-Street-Geldhäuser mit hohen Opportunitätskosten verbunden. Denn das Geschäft mit syndizierten Krediten ist aus Sicht der Investmentbanken äußerst kapitaleffizient und ertragsträchtig. Dagegen sind Private-Credit-Deals für sie riskanter und beinhalten eine höhere direkte Kapitalbindung – gerade dies ist in den aktuellen Zeiten angespannter Liquidität nachteilig.

Das soll nicht heißen, dass die LBOs, die über syndizierte Kredite zustande kommen, für die Investmentbanken reibungslos ablaufen werden. Wie sich die geldpolitische Straffung auch bei diesen Transaktionen auswirken kann, haben die Wall-Street-Häuser schon im vergangenen Jahr erfahren. So zum Beispiel im Rahmen der Saga um die Übernahme des Softwareherstellers Citrix Systems: Die beteiligten Banken, darunter Bank of America und Goldman Sachs, stießen im September auf gewaltige Schwierigkeiten, die zur Finanzierung des 16,5 Mrd. Dollar schweren Deals aufgenommenen Kredite abzuladen. Letztendlich mussten sie Anleihen im Volumen von 4 Mrd. Dollar zu einem Discount von 16% verschleudern. Ein weiterer, 4,1 Mrd. Dollar schwerer Kredit ging mit einem Abschlag von 9% zum Nennwert an den Markt. Auch einige der an Elon Musks Übernahme des Kurznachrichtendienstes Twitter beteiligten Banken nehmen lieber Verluste aus ihren Engagements hin, als die Altlasten daraus mitzuschleppen. Die jüngsten Erfahrungen dürften den Enthusiasmus bezüglich Buy-outs nachhaltig dämpfen. Für die US-Investmentbanken läutet es also noch lange nicht zum Ende der Lehrstunde in Sachen Demut.

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