Lieber Louis Vuitton als Frankreich
Anleihemärkte
Lieber Louis Vuitton als Frankreich
Eine veränderte Spread-Landschaft an den Märkten bedeutet noch keine Krise, sollte aber genau im Auge behalten werden.
Von Kai Johannsen
Mit welchem Investment fühlen sich die Anleger an den Fixed-Income-Märkten derzeit wohler: Mit einem sechsjährigen Bond des französischen Luxusgüterherstellers Louis Vuitton Moët Hennessy (LVMH) oder mit einer Anleihe des Zentralstaates Frankreich mit gleicher Laufzeit? Offensichtlich mit einem Schuldpapier von LVMH. Denn für einen sechsjährigen Bond von LVMH, die unter anderem für ihre Damenhandtaschen bekannt ist, verlangen die Anleger derzeit am französischen Unternehmensanleihemarkt eine Rendite von um die 2,67%. Wenn es aber darum geht, dem Staat Frankreich Geld zu leihen in der gleichen Frist, also sechs Jahre, dann wollen die Investoren indes eine Rendite von 2,71%. Offensichtlich schätzen die Investoren das Risiko von Frankreich etwas höher ein als das von LVMH. Sehr überspitzt formuliert könnte man sagen: Lieber LVMH Geld leihen als dem Zentralstaat Frankreich – das ist sicherer, was die Rückzahlung des Geldes betrifft. Also mehr Kompensation bei Frankreich.
Nun gut, es ist natürlich Verschiedenes hierbei zu berücksichtigen. Erstens: Es handelt sich nur um eine Renditedifferenz von wenigen Basispunkten, das sollte nicht überbewertet werden. Zweitens: Es ist auch immer die Situation am Kassamarkt der jeweiligen Anleihen zu berücksichtigen. Unternehmensanleihen haben doch praktisch immer geringere ausstehende Volumina als vergleichbare Staatsanleihen –zumindest, wenn sich um die großen Emittentenadressen des Euroraumes handelt, wie etwa Frankreich.
Kein Grund zur Sorge
Aber dass sich dieser Spread verändert, also ins Gegenteil verkehrt hat, ist auch bei anderen Adressen zu beobachten, etwa dem Bund, liegt hier doch der Bund-Swap-Spread ebenfalls im negativen Bereich, und zwar seit Ende des Vorjahres. Dieses Phänomen ist erstmals seit mehr als 20 Jahren zu beobachten und wird von vielen im Markt aufmerksam verfolgt. Das ist nun keinesfalls besorgniserregend in dem Sinne, als dass eine erneute Staatsschuldenkrise im Euroraum auszurufen ist nach dem Motto: Die Spreads der Zentralstaaten laufen im Vergleich zum Interbankenniveau oder den Renditen von Unternehmensanleihen immer weiter heraus. Das wäre sicherlich maßlos übertrieben – zumindest in der gegenwärtigen Situation. Aber im Auge behalten sollte man die Entwicklung schon.
Mit dieser Entwicklung wird an den Märkten auch immer wieder die Sorge über die Platzierbarkeit von Anleihen, insbesondere von Staatsanleihen, in Verbindung gebracht. Die Haushaltsdefizite weiten sich bei vielen Adressen immer weiter aus. Finanziert werden muss das über eine Kreditaufnahme über die Bondmärkte, also durch die Ausgabe von neuen Bonds. Die Staatsschulden steigen. Für die Übernahme dieses Risikos verlangen Investoren eine höhere Prämie, also eine höhere Bondrendite. Und irgendwann – so die Befürchtung von Marktteilnehmern – könnte es dann auch mal schwierig werden, Bonds zu platzieren – zumindest für schwächere Kreditnehmer. Akut ist der Fall zwar nicht.
Aber wenn er einmal akut werden sollte für einzelne Staaten, könnten auch Zentralbanken wieder gefordert sein, in die Märkte einzusteigen. Die Kaufprogramme, die in den Krisenzeiten der vergangenen Jahre aufgelegt wurden, sind ausgelaufen. Aber wenn Staaten tatsächlich mit Platzierungsproblemen konfrontiert werden, könnten Rufe nach Hilfe von Notenbanken auftauchen. Ohne Frage ist der Markt noch weit entfernt davon.
Unterstützung durch Trump
Unterstützung könnte der Markt aber aus einer ganz anderen Richtung bekommen. Im Mittelpunkt des Interesses der Finanzmärkte steht die protektionistische US-Wirtschaftspolitik. Investoren haben Sorge, dass der Handelskrieg der USA eskalieren könnte. In einer solchen Situation schichten Anleger aus risikobehafteten Assets in sichere Häfen um. Abzulesen ist das auch in diesen Tagen. Der Goldpreis ist auf Rekordniveau. Gefragt sind auch Bundesanleihen, deren Renditen den Rückwärtsgang einlegen. Bei einer Eskalation des Handelskrieges dürften die sicheren Häfen noch stärker aufgesucht werden. Davon würden nicht nur Bunds profitieren. Gut vorstellbar, dass dann auch andere Adressen angesteuert werden.