Problematische Diskussion in der EZB
EZB
Problematische
Diskussion
Von Martin Pirkl
Die EZB diskutiert viel über den neutralen Zins. Das ist aus zwei Gründen jedoch nur bedingt hilfreich.
Viel wird dieser Tage unter Notenbankern und Ökonomen darüber diskutiert, ob die EZB im kommenden Jahr die Zinsen unter das neutrale Niveau senken sollte oder besser nicht. Dabei hat diese Debatte zwei grundlegende Probleme und ist deshalb nur bedingt zielführend.
Das erste ist offensichtlich. Der neutrale Zins, der die Wirtschaft weder bremst noch stimuliert, lässt sich nur schätzen. Dabei gehen die Meinungen weit auseinander. Von etwas unterhalb von 2% bis etwas unterhalb von 3% lassen sich Ökonomen finden, die diese Meinung für die Eurozone vertreten. Es herrscht nicht mal Einigkeit darüber, ob der neutrale Zins höher ist als vor der Pandemie. Auch wenn die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) und die EZB diese Auffassung als Institutionen vertreten.
Hohe Unsicherheit
Bei so viel Unsicherheit lässt sich die Geldpolitik 2025 nur schwer am akademischen Konstrukt neutraler Zins ausrichten. Das bedeutet nicht, dass es falsch ist, sich über ihn Gedanken zu machen. Im Gegenteil, das ist bei geldpolitischen Überlegungen hilfreich, aber eher bei der lang- als der kurzfristigen Geldpolitik.
Das zweite Problem der Debatte besteht darin, dass zu viel über die schwache Konjunktur gesprochen wird. Die EZB hat kein Wachstumsmandat, sondern muss sich an der Inflation ausrichten. Zu wenig geht es in der Diskussion über den neutralen Zins um die Teuerung. Auch wenn das Wirtschaftswachstum natürlich Auswirkungen auf die Inflation hat. Doch zu oft wirkt die Debatte um Zinssenkungen wie eine Diskussion um Konjunkturhilfe. Das aber ist nicht die Aufgabe der EZB.
Negative Auswirkungen
Außerdem lässt sich die schwache wirtschaftliche Entwicklung der Eurozone nur zu einem Teil durch die Konjunktur erklären. Auch strukturellen Faktoren belasten, die die EZB mit ihrer Geldpolitik ohnehin kaum beeinflussen kann. Zinssenkungen helfen nicht bei Fachkräftemangel, geopolitischen Konflikten, zu hoher Bürokratie oder politischer Unsicherheit.
Zugegeben, die Investitionsschwäche von Firmen könnte durch Zinssenkungen kleiner werden. Auch die Staaten hätten bei einem geringeren Zinsdienst mehr Spielräume für Investitionen. Und eine besser laufende Konjunktur würde zudem Konsum, Steuereinnahmen und erneut Investitionen stärken. Doch diese positiven Aspekte hätten zugleich eine negative Seite. Sie reduzieren den Druck auf die Staaten – insbesondere Deutschland –, endlich mal die Strukturprobleme im großen Stil anzugehen. Dabei ist das viel wichtiger als die aktuelle Konjunkturlage.